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beim Düsterwald Online-Contest 2005/06

Erster Abschnitt

Ein klarer Herbstmorgen dämmerte über dem Waldlandreich der Elben und die Luft war erfüllt von Vogelstimmen, die den Tag mit Freude begrüßten. Das Licht der Morgendämmerung malte helle Flecken auf den Boden des Waldes, der mit sattem Moos bedeckt war und jeden von Legolas’ Schritten dämpfte.
Immer wieder musste er stehen bleiben und auf Gimli warten, der murrend hinter ihm her trödelte, sich immer noch beschwerend, dass die Nachtruhe viel zu kurz ausgefallen war und das Frühstück viel zu spärlich!
Legolas schmunzelte, richtete sich dann aber wieder gen Norden und setzte seinen Weg fort. Er konnte es nicht erwarten, endlich wieder nach Hause zu kommen, denn es war lange her, dass er mit Gimli auf Wanderschaft gegangen war und nun waren bereits zwei Jahre vergangen, in denen er seine Familie nicht mehr gesehen hatte.

Tief zog Legolas die frische Luft in seine Lungen und genoss die geheimnisvolle Stimmung des Waldes, die durch die schleierartigen Nebelschwaden noch verstärkt wurden, die sich in der Nähe des Fluss durch das Unterholz zogen.
Nur noch entfernt hörte er Gimli schimpfen, der vergeblich versuchte, dem Freund zu folgen, denn bald war er aus seinem Blickfeld verschwunden, verschluckt vom Nebel ohne auch nur die geringste Spur zu hinterlassen!
"Dieses Spitzohr ist aber auch unmöglich! Mich erst in diesem wahnsinnigen Tempo durch den Wald treiben und mich dann einfach hier stehen lassen!", schimpfte er, aber dann legte er sich einfach an den Fuß eines Baumes und rutschte hin und her, um die gemütlichste Position zu finden.
Ganz gleich, wohin der Elb verschwunden war, er würde wiederkommen, dessen konnte Gimli sich gewiss sein und die Grenzen von Thranduils Reich waren gut geschützt, sodass er ein kleines Nickerchen wagen konnte. Schon nach wenigen Minuten drang sein Schnarchen durch das Unterholz.

Legolas wurde immer weiter in den Wald hineingelockt und bald wehte ihm ein schwacher Wind ums Gesicht, während das Geräusch des Flusses ständig lauter wurde, ein gedämpftes Sprudeln und Rauschen. Es schien verlockend zu rufen und Legolas nahm diese Einladung nur zu gerne an, denn nach ihrer langen Reise würde das erfrischende Bad seinen Körper und Geist beleben. Um Gimli musste er sich nicht sorgen, der schlief sicherlich schon längst zufrieden, ohne zu wissen, was ihm hier entging und schon hatte Legolas seine Gewänder abgelegt und suchte eine seichte Stelle.
Der Bach war angenehm kühl und er tauchte unter, schwamm einige , kräftige Züge unter Wasser und tauchte wieder auf.
Er grub seine Zehen in den sandigen Boden und genoss es einfach nur, hier zu stehen und den Geräuschen des Waldes zu lauschen. Er betrachtete das saftige, grüne Laub an den Zweigen und die Blätter, die in kleinen Strudeln im Fluss wirbelten. Immer noch zogen kleine Nebelschwaden am Ufer entlang, die sich jedoch rasch in den Strahlen der Sonne auflösten.
Es war schön wieder nach Hause zu kommen, in dieses von Friede und Leben erfüllte Heim, dass ihn bereits jetzt auf seine eigene Weise willkommen geheißen hatte. Doch nun wurde es Zeit, endlich auch seinem Vater gegenüber zu treten, doch bei diesem Gedanken wich der entspannte Ausdruck von seinem Gesicht und er seufzte. Diese Begegnung hätte er nur zu gerne noch etwas heraus gezögert, denn es würde gewiss nicht lange dauern, bis sein Vater ihn wieder mit einem tadelnden Blick bedenken würde, wenn sich Legolas nicht wieder gemäß seinen Vorstellungen benahm.

Widerstrebend kletterte Legolas ans Ufer, kleidete sich an und machte sich auf den Weg zu Gimli, der ihn sicher bereits erwartete.
Als er ihn schließlich erreichte, machte sich wieder ein Lächeln auf seinem Gesicht breit, denn der Zwerg tat alles andere, als auf ihn zu warten. Mit seinem Schnarchen hatte er bestimmt schon sämtliche Elben auf sich aufmerksam gemacht und somit ihr Kommen angekündigt! Legolas musste ihn kräftig schütteln, bis er endlich mürrisch die Augen öffnete. Er musterte den Elben eindringlich, registrierte seine nassen Haare, die von Feuchtigkeit fleckige Hose und die nicht fertig geschnürte Tunika, was ihm eine weiteres Brummen entlockte.
"Du legst es wohl darauf an deinen Vater bereits bei deiner Ankunft zu verärgern! Wenn er dich so sieht, dauert es gewiss nicht lange, bis ihr aneinander geratet!"
Legolas machte eine abwehrende Handbewegung und sah den Freund an.
"Mein Vater wird so oder so einen Grund finden, mich zu tadeln! Da wollte ich ihm die Mühe der Suche ersparen!", erklärte er lächelnd und Gimli zuckte nur mit den Schultern. Legolas musste selber wissen was er tat. Es genügte wahrscheinlich sowieso schon, dass er den Elben begleitete, um bei Thranduil Missfallen hervor zu rufen, der es immer noch nicht verstand, wieso sich sein Sohn mit einem Zwerg angefreundet hatte und er ließ es auch immer deutlich spüren, wenn sie auf ihn trafen.
Schweigsam setzten sie ihren Weg fort und erreichten bereits eine halbe Stunde später ihr Ziel.

*

Als sie den großen Platz betraten, wurden sie von vielen wartenden Elben jubelnd begrüßt und Legolas eilte mit großen Schritten seinem Vater entgegen und ließ sich vor ihm auf die Knie sinken. Er spürte den stechenden Blick in seinem Nacken fast so deutlich, wie seine distanzierte Haltung ihm gegenüber und als er den Blick hob, fand er nicht das kleinste Zeichen von Freude im Gesicht seines Vaters. Legolas trat zur Seite, um Gimli vortreten zu lassen, der Thranduil ebenfalls angemessen begrüßte, wobei Legolas jedoch immer noch die ein oder andere verwunderte, oder auch missbilligende, Äußerung unter den Waldelben vernahm, die ihre Freundschaft nicht verstehen konnten.
Legolas hatte es aufgegeben, ihnen zu erklären, das vieles, was die Elben über die Bräuche der Zwerge behaupteten, nicht stimmte, denn gerade die Ältesten unter ihnen, waren nicht vom Gegenteil zu überzeugen.

Nachdem sie die Begrüßung hinter sich gebracht hatten, folgten sie Thranduil, der sie in eine Halle führte, deren Dach einzig aus den Ästen und Zweigen der Bäume bestand, die sich hoch über ihren Köpfen wölbten.
Auf seine Zeichen hin, eilten andere Elben herbei, die große Blätter brachten, auf denen allerlei Speisen hergerichtet waren und Karaffen mit Wein. Der König bedeutete ihnen, sich zu setzen und Legolas kam dieser Aufforderung umgehend nach und ließ sich einfach auf dem Boden nieder wo er gerade stand und nickte Gimli zu, der ihm einen fragenden Blick zuwarf, es ihm dann aber gleich tat.
Die Elben legten die Speisen vor ihnen nieder und zogen sich dann wieder zurück, um den König mit den Gästen alleine zu lassen.
Der Letzte war noch nicht ganz aus ihrem Blickfeld verschwunden, als Thranduil auch schon mit strengem Tonfall das Wort an seinen Sohn richtete.
"Du hättest dich wenigstens angemessen kleiden und dich in der Sonne trocknen können, bevor du hier eintriffst! Du siehst aus wie einer der einfachen Mitglieder meines Volkes, nicht wie ein Prinz!"
"Wäre es dir lieber gewesen, wenn ich bedeckt vom Schmutz unseres langen Weges zu dir gekommen wäre?", entgegnete Legolas ruhig und hielt dem Blick seines Vaters stand.
"Das fängt ja gut an!", murmelte Gimli leise vor sich hin und er beschloss, sich in keiner Weise in dieses Gespräch zwischen Vater und Sohn einzumischen.

Während der Zwerg sich mit den Speisen beschäftigte, musste Legolas noch weitere Bemerkungen seines Vaters in dieser Richtung über sich ergehen lassen und ihm dann alles berichten, was er auf seiner Reise über die freien Völker Mittelerdes erfahren hatte. Die ganze Zeit über blieb das Gespräch sehr sachlich, nicht von der kleinsten Gefühlsregung gezeichnet und erst als Gimli sich nach einigen Stunden reckte, um die Müdigkeit aus seinen Knochen zu vertreiben, zeigte Thranduil einen winzigen Hauch von Gnade und entließ seinen erschöpften Sohn und dessen Begleiter.

Als sie wieder ins Freie traten, senkte sich bereits die Dämmerung über den Wald und Gimli musterte Legolas von der Seite, verkniff sich aber jeglichen Kommentar über diese formelle Begrüßung, als er die Enttäuschung im Gesicht seines Freundes sah. Man hätte meinen können, dass der König einen einfachen Elben empfangen hatte, nicht seinen Sohn, den er fast zwei Jahre nicht gesehen hatte!
In den folgenden Tagen veränderte sich sein Verhalten auch nicht und er sah seinen Sohn nur, wenn sich der Rat zusammensetzte, an dem Legolas aufgrund seiner Stellung teilnehmen musste.

An diesem Nachmittag tagte der Rat wiedereinmal, nachdem am Morgen einige Kundschafter eingetroffen waren, die Neuigkeiten aus den umliegenden Landen gebracht hatten.
Gimli saß in der Nähe des Versammlungsortes und wartete, als er plötzlich laute Stimmen vernahm und als er sich umwandte, trat Legolas aus der Halle. Sein Gesicht war ausdruckslos, doch seine Augen funkelten erzürnt und mit ausschweifenden Schritten eilte er auf den Wald zu, ohne den Freund zu beachten, der vergeblich versuchte, ihn einzuholen.
Schließlich gab Gimli die Verfolgung auf und schnaubte.
"Das konnte ja auch nicht lange gut gehen!", brummte er.

*

Legolas befand sich in einem Zustand zwischen Zorn und Enttäuschung und rannte blindlings durch das Unterholz. Er wollte nur so viel Abstand wie möglich zwischen sich und seinen Vater bringen, damit er wieder frei Atmen konnte. Die Valar alleine wussten, dass er es ehrlich versucht hatte, sich zusammen zu nehmen, aber jetzt war Thranduil zu weit gegangen! Er hatte ihn vor dem gesamten Rat wie einen kleinen Jungen behandelt, der keine Ahnung hatte, wovon er sprach, als ob er noch nie einen Kampf geführt oder eine Truppe geleitet hätte! Was sollte er denn noch tun, damit sein Vater ihn endlich ernst nahm? Hatte er nicht im Ringkrieg bewiesen, dass er seiner Stellung würdig war?
Legolas versuchte sich zu beruhigen, doch immer wieder sah er seinen Vater vor sich, der ihn mitten im Satz unterbrochen hatte und ihn angewiesen hatte, zu schweigen, ohne sich seinen Vorschlag überhaupt angehört zu haben.
Sollte er doch sehen, wie er selber mit seinen Problemen zurecht kam!

Legolas war immer noch aufgewühlt und während er in seinen trüben Gedanken versunken war, schlug er, ohne es zu merken, wieder die Richtung zum Fluss ein. Erst, als er sein Rauschen vernahm, hob er den Blick und ließ ihn über die Ufer des Fluss gleiten.
Augenblicklich entdeckte er sie - eine Elbin, die ausgestreckt auf dem Ast einer Bergulme saß und anscheinend mit den Spatzen erzählte, die sich vor ihr auf den Zweigen niedergelassen hatten. Weiße Nebelschwaden wallten den Stamm herauf und verhüllten die Elbin immer wieder und ein teil von ihnen, umspielten ihr wirres Haar, dass bis zu ihren Schultern reichte und in dem unzählige Blätter und Zweige steckten. Sie war in die bequemen Kleider seines Volkes gekleidet, eine grüne Tunika und erdfarbene Beinlinge, ihre Stiefel dunkelgrün, doch er war sich sicher, dass er sie hier noch nie gesehen hatte. Ihr Gesicht war hübsch, aber auch wild und entschlossen, ihre Augen so grün, wie der hochsommerliche Wald.
Er war von ihrer Erscheinung völlig in den Bann gezogen worden und stand einfach nur da, um sie zu betrachten, wie sie voller Hingabe mit den Spatzen erzählte, die ihr mit zirpen und piepsen zu antworten schienen. Schließlich erhob sie sich und. ihre Bewegungen waren fließend und geschmeidig, zeigten aber auch deutlich die Kraft und Beweglichkeit, als sie sich von dem Ast abstieß und sicher auf dem Boden landete. Jetzt erst sah Legolas, dass sie Pfeil und Bogen trug, sowie einen langen Dolch, der sie als eine der Kriegerinnen kennzeichnete.
Obwohl es nur zu deutlich war, dass sie zu seinem Stamm gehörte, blieb Legolas reglos stehen und beobachtete sie einfach, völlig gefesselt, durch ihre Anmut.


*

Tanhis ließ erneut den Blick über den Waldrand gleiten. Der dichte Bodennebel begann sich langsam zu lichten und bald konnte sie die Birken ausmachen, die entlang des Flussufers wuchsen und sie richtete ihren Blick durchdringend auf die Schatten dahinter.
Sie machte augenblicklich den Umriss des Elben aus, der sich dort im Schatten verbarg und stieß einen gemurmelten Fluch aus, ärgerlich darüber, dass sie entdeckt worden war. Sie strich sich eine Strähne ihres dunklen Haares aus dem Gesicht und versuchte, den Elben zu erkennen, gewiss einer aus Thranduils Leibwache, doch er stand viel zu weit in der Dunkelheit, als dass sie auch nur eine Vermutung gehabt hätte, um wen es sich handelte.
Seit sie von ihren Eltern aus Lôrien hierher geschickt worden war, hatte sie alle der Elben kennen gelernt, doch so geschickt wie dieser, hatte es bis jetzt keiner vermocht, sich im Dickicht zu verbergen. Selbst sie hatte ihn nur mit Mühe ausmachen können und als jetzt ein Nebelschwaden kurz den Blick auf ihn verdeckte und dann genauso schnell wieder verzog, hatte sie blitzschnell einen Pfeil aus ihrem Köcher gezogen, spannte ihn und schoss ihn zischend in seine Richtung.
Wenn er schon ihre Ruhe störte, so sollte er sich wenigstens zu erkennen geben und ihr Pfeil sollte wohl Aufforderung genug gewesen sein!

*

Legolas war unfähig auch nur einen Schritt zu tun, so verblüfft war er von ihrer Schnelligkeit, aber auch verwundert, über ihre Dreistigkeit, einfach auf ihn zu schießen! Der Pfeil hatte seine Schulter gestreift und einen brennende Schramme hinterlassen, wo er seine Tunika aufgeschlitzt hatte, bevor er in dem Baum hinter ihm stecken geblieben war. Sie wusste wohl nicht, wen sie vor sich hatte!
Dieser Gedanke ließ ihn noch einen Moment zögern, denn es war durchaus verlockend, einmal ohne die aufgesetzte, gespielte Freundlichkeit behandelt zu werden, die ihm immer alle entgegen brachten, nur weil er Thranduils Sohn war.
Als er sich jetzt aus dem Schatten löste, beschloss er, diese Kleinigkeit so lange wie möglich vor ihr zu verheimlichen und ging mit festen Schritten auf sie zu.
Aus der Nähe betrachtet, war sie sogar noch schöner, als er es vermutet hatte! Ihre Augenbrauen waren in einem Ausdruck konzentrierter Aufmerksamkeit zusammengezogen, zwei perfekt geschwungene, hellbraune Bögen über langen, dunklen Wimpern. Ihre Augen hatten eine Tiefe, die unergründlich schien.
Sein Blick erfasste die vielleicht ungewöhnlichste Sache an ihr, die er je gesehen hatte – Sommersprossen, die wie Staubkörnchen auf ihrem Nasenrücken verstreut lagen, ein verspieltes Geschenk der Valar! Ihr Mund eine fein geschwungene Linie.

Legolas hatte schon viele hübsche Mädchen und Elbinnen gesehen, doch keine hatte es vermocht, ihn so in ihren Bann ziehen, wie ein kurzer Blick aus ihren leuchtenden Augen.
Während er auf sie zuging und sie dabei beobachtete, spannte sie erneut ihren Bogen und richtete mit einer hellen, klaren Stimme das Wort an ihn.
"Halt! Bleibe stehen und sage wer du bist!"
Amüsiert blieb Legolas stehen. Diese Begegnung stellte sich als äußerst unterhaltsam heraus und sein Zorn auf seinen Vater war bereits völlig verflogen, vertrieben, von diesem hübschen Geschöpf, dass nicht im mindesten ahnte, wer ihr vor die Pfeilspitze gelaufen war!
"Wie wäre es mit einer höflichen Bitte und einer Entschuldigung, nachdem du mich fast aufgespießt hättest! Außerdem wäre es höflich, sich selber auch vorzustellen!"
Ihr Gesichtsausdruck änderte sich in keiner Weise und ließ nicht darauf schließen, was sie gerade dachte.
"Wenn ich dich hätte aufspießen wollen, so hätte ich es getan!", entgegnete sie selbstsicher, ließ aber den gespannten Bogen sinken und Legolas spürte ihren prüfenden Blick, der ihn durchdringend musterte.
"Nun, und wieso hast du es dann trotzdem getan?", fragte er mit einem ironischen Grinsen und fasste an seine Schulter.

Als sie seiner Hand mit dem Blick folgte, wich alle Farbe aus ihrem Gesicht und sie ließ unachtsam Pfeil und Bogen fallen und war mit wenigen Schritten an seiner Seite.
Sie zog prüfend den Stoff etwas auseinander und seufzte dann erleichtert. Verlegen begegnete sie dann seinem Blick.
"Das wollte ich nicht! Ich war mir sicher, dass ich weit genug neben dich gezielt habe, aber der Schatten hat wohl doch meinen Blick getrübt!", fügte sie entschuldigend hinzu.
"Schon gut! Es ist ja nicht ernsthaft etwas geschehen! Aber bist du so nett und verrätst mir wenigstens, wer mich fast durchlöchert hätte?" Legolas konnte den Spott nicht zurückhalten, was ihm einen vorwurfsvollen Blick ihrer grünen Augen einbrachte.
"Mein Name ist Tanhis. Ich...."
Der Ruf einer Lerche schnitt ihr abrupt das Wort ab und sie sah in die Richtung, aus der sie ihn vernommen hatte. Als sie sich Legolas wieder zuwandte, murmelte sie noch eine Entschuldigung und erklärte ihm, dass ihre Truppe nach ihr rief und ließ ihn einfach stehen, bevor er auch nur die Möglichkeit hatte, sie daran zu hindern im Dickicht der Bäume zu verschwinden.

Er sah ihr versonnen hinterher, spürte noch immer ihre flüchtige Berührung an seiner Schulter und war unfähig, sich auch nur einen Schritt zu bewegen. Sie hatte in ihm eine Vielzahl an Gefühlen ausgelöst, die er selbst nie für möglich gehalten hatte zu empfinden und er hatte immer noch ihre Erscheinung vor seinem inneren Auge.
"Tanhis!", murmelte er. "Morgentau !"


Zweiter Abschnitt

Gimli wartete auf Legolas und obwohl er scheinbar ruhig an einen Baum gelehnt saß, nagte in ihm die Ungeduld und Sorge, wo sein Freund nur so lange blieb.
Ich hätte ihm wohl doch folgen sollen, grübelte er nach, aber sogleich schimpfte er sich einen Narren, denn der Elb konnte schließlich Bestens auf sich selber achten.
Dennoch kam er nicht zur Ruhe und atmete erleichtert auf, als Legolas endlich aus dem Inneren des Waldes auf die Lichtung trat. Sofort kam Gimli auf die Beine und mäßigte seine Schritte, um den Elb nicht entgegen zu laufen und ihm somit zu verraten, dass er sich doch Sorgen gemacht hatte.
Er versuchte ein unbekümmertes Gesicht zu machen, was ihm jedoch nicht gelang, denn als er nah genug an Legolas heran gekommen war, blieb er entsetzt stehen.

Legolas lächelte, als er Gimli auf sich zukommen sah, doch der Zwerg hielt mitten in seiner Bewegung inne, stieß dann einen besorgten Laut aus und rannte dann doch auf ihn zu. Schon aus einiger Entfernung konnte Legolas ihn fluchen und schimpfen hören, was ihn alle Mühe kostete, nicht augenblicklich laut zu lachen.
"Wo sind die Orks? Wie viele haben dich angegriffen und wie viele hast du außer Gefecht gesetzt? Sind noch welche für mich übrig geblieben?"
Gimli sah ihn fragend an, dann trat ein verwirrter Blick in sein Gesicht, als er bemerkte, dass Legolas fast lachte und der Zorn löste seine Verwirrung ab.
"Was ist daran bitte schön so lustig? Bist du jetzt übergeschnappt? Oder hat deine Wut auf Thranduil dir die Sinne vernebelt? Sag’ mir sofort, wer dich verletzt hat!"
Legolas bemerkte die ehrliche Sorge von Gimli und legte ihm beschwichtigend die Hand auf die Schulter.
"Das war nur ein kleiner Unfall, alter Freund! Kein Grund zur Sorge, es schleichen keine Orks hier herum, sonst hätten die Wachposten längst Alarm geschlagen! Mir geht es gut!"
Gimli zog immer noch misstrauisch die Augenbrauen zusammen.
"Ein Unfall, hm? Und wie ist der geschehen, Herr Grünblatt? Bist du in eine Pfeilspitze gerannt?", fragte er dann spöttisch, aber seine Stimme verriet seinen Argwohn.
Doch wie sehr der Zwerg sich auch bemühte die Wahrheit heraus zu finden, Legolas schwieg beharrlich und schließlich gab Gimli es auf, zeigte aber deutlich, wie sehr ihm das Schweigen des Elben missfiel.

*

Nach zwei Tagen hatte Gimli den Vorfall jedoch schon wieder vergessen. Legolas und er unternahmen verschiedene Streifzüge in den umliegenden Wald und obwohl Gimli dabei oft das Gefühl hatte, als suche der Elb irgendwas, machte er sich darüber keinerlei Gedanken.

Eines Abends, sie kamen gerade von einem kleinen Ausritt zurück, wurden sie sehr zu ihrem Erstaunen, bereits von Thranduil erwartet, der an einem der Feuer saß, die auf der Lichtung brannten. Die Elben saßen oft bis spät in die Nacht an den Feuern und sangen Lieder, erzählten sich Sagen und Geschichten oder redeten miteinander.
Thranduil erhob sich, als er sie kommen sah, beachtete den Zwerg mit keinem Blick und richtete nur kurz das Wort an seinen Sohn, bevor er sich wieder abwandte, um in seine Schlafstatt zurück zu gehen.
"Ich erwarte dich Morgen bei der Sitzung des Rates! Komme nicht zu spät!"
"Sehr wohl, Vater!", entgegnete Legolas knapp und Gimli bemerkte, wie förmlich die Spannungen zwischen ihnen in der Luft hingen.
Sichtlich der guten Laune beraubt, setzten sie sich dann zu den Elben ans Feuer, doch bald entschuldigte sich Legolas und verließ die gemütliche Runde, gefolgt von Gimlis mitfühlenden Blicken.

*

Tanhis hatte den Atem angehalten, als sie die Szene beobachtet und die Antwort vernommen hatte und mit erschrecken erkannt, wen sie da beinahe vor einigen Tagen um ein Haar aufgespießt hatte! Bei dieser Erkenntnis waren ihr noch im Nachhinein die Knie weich geworden und sie lehnte sich verwirrt gegen den Baumstamm, hinter dem sie sich versteckte.
Die letzten Tage hatte sie damit zugebracht, dem Elben in jeder freien Minute zu folgen, wohl darauf bedacht, nicht selbst entdeckt zu werden, denn sie wollte eine Gelegenheit finden, ihn alleine anzutreffen. Doch immer war der Zwerg an seiner Seite gewesen und hatte ihr Vorhaben vereitelt, wofür sie nun umso dankbarer war!

Vorsichtig wagte sie noch einmal einen Blick auf ihn und schalt sich selbst eine Blinde, dass ihr die Ähnlichkeit zwischen dem König und seinem Sohn nicht schon vorher aufgefallen war; und doch schien er so anders.
Sie sah gerade noch, wie er sich vom Feuer entfernte und aus dem Lichtkegel des flackernden Feuers verschwand und sie zögerte keine Sekunde. Es gestaltete sich jedoch als äußerst schwierig, ihm zu folgen, denn er bewegte sich geschickt im wechselnden Spiel der Flammen und Schatten in der Dunkelheit und seine Gestalt war oft nur verschwommen zu erkennen. Ein– oder zweimal hatte sie ihn für einen kurzen Moment aus den Augen verloren, denn es schien, als habe er sich in Luft aufgelöst, doch dann hatte sie ihn wieder entdeckt, wenn er kurz durch den Lichtschein erfasst wurde.
Tanhis war sich nach einiger Zeit sicher, dass er zu einer kleinen, abgelegenen Lichtung strebte und die Hoffnung keimte in ihr auf, dass es ihr nun endlich gelingen könnte, ihn alleine anzutreffen.
Sie beschleunigte ihren Schritt, vergewisserte sich, dass ihnen auch niemand folgte und rannte dann rasch auf den Waldrand zu, um den Pfad zur Lichtung zu folgen.

Legolas schritt den Waldpfad entlang, der nur durch das Mondlicht erhellt wurde und versuchte, seinen erneuten Ärger über seinen Vater zu verdrängen. Seine Aufforderung war keine Bitte gewesen, sondern ein Befehl und wieder einmal hatte er nicht im geringsten erkennen lassen, dass er sein Sohn war und nicht nur einer seiner Untertanen.
Unter seine Wut mischte sich mit jedem Schritt aber auch die Enttäuschung, denn ihm wurde wieder schmerzlich bewusst, dass sich an ihrem Verhältnis wohl nie etwas ändern würde, denn Thranduil war schon immer mehr sein König, denn sein Vater gewesen!
Er gelangte auf die Lichtung, suchte sich einen Platz bei einigen Findlingen die im hohen Gras verstreut lagen und lehnte sich dagegen, während er seinen Blick über die Sterne gleiten ließ, die hell und klar am Nachthimmel standen und er versuchte, seine Gedanken in eine andere Richtung zu lenken, als ihm plötzlich die Gewissheit überkam, dass er sich nicht alleine auf der Lichtung befand. Er spürte ganz deutlich einen Blick auf sich ruhen und ohne es sich anmerken zu lassen, spannte er sich an, jederzeit zur Verteidigung bereit, denn er fragte sich, wer sich wohl in der Finsternis verbarg, ohne sich zu erkennen zu geben.

Ein kaum wahrnehmbares Geräusch dicht hinter ihm, ließ ihn herumfahren und er hatte seinen Gegner gepackt und zu Boden geworfen, noch bevor dieser reagieren konnte. Er drückte ihn, an den Handgelenken gefasst, nieder, hielt ihn mit seinem Körper auf die Wiese gepresst. Er hörte das überraschte aufkeuchen, spürte den hastigen Atem an seinem Ohr und kämpfte einen Moment mit der heftigen Gegenwehr, bevor er sich hochstemmte, um das Gesicht erkennen zu können.
Als er Tanhis erkannte war er so verblüfft, dass sie ihn ohne Mühe überrumpeln konnte und sie stieß ihn so rasch mit einer Drehung ihres Körpers zur Seite, dass er es gerade noch schaffte, den Schwung abzufangen, um nicht mit dem Kopf gegen den Findling zu stoßen, doch stattdessen prallte er seitlich dagegen und sein Brustkorb zog sich schmerzvoll zusammen und er stöhnte auf.

Tanhis kam geschwind wieder auf die Füße und funkelte ihn wütend an, während sie sich mit einer flüchtigen Bewegung eine Haarsträhne zurück in das Wirrwarr auf ihrem Kopf schob; ein unnutzer Versuch, denn sie fiel sogleich wieder auf ihre Schulter zurück.
Legolas hatte die Überraschung überwunden und blickte zu ihr hoch während er seinen Brustkorb umfasste und ihr Anblick faszinierte ihn noch mehr, als bei ihrer ersten Begegnung.
Dort stand sie vor ihm, dieses bezaubernde Geschöpf, dass er nun schon die ganze Zeit vergeblich in der Kolonie seines Vaters gesucht hatte! Ihre schlanken Umrisse zeichneten sich deutlich im hellen Schein des Mondes ab, das dunkle Gewirr ihrer seidig glänzenden Haare, verknotet zu ineinander verschlungenen Strähnen und Zöpfen, ihre zart schimmernde Haut und einem Gesicht, dass es ihm fast unmöglich machte, seine Hand zurück zu halten, um es zu berühren.
Sie wirkte im Mondlicht fast unwirklich, ja zauberhaft und erneut schlugen die Gefühle über ihm zusammen, wie eine Welle und er war unfähig, auch nur etwas zu ihr zu sagen.

Doch das war auch gar nicht nötig, denn Tanhis löste sich aus dem Lichtschein und hielt ihm die Hand entgegen, während sie ihn unwirsch anfuhr.
"Selbst schuld, wenn du dich verletzt hast! Fällst du jeden an, der zu dir kommt, um mit dir zu reden oder nimmst du mir die Schramme noch immer übel die ich dir zugefügt habe?"
Legolas war einen Augenblick viel zu verdutzt, um darauf etwas zu erwidern, doch dann ärgerte er sich über die Schuldzuweisung und er stand auf, ohne ihre helfende Hand zu beachten.
"Meine Schuld? Du schleichst dich im Dunkeln an mich heran und erwartest, dass ich freundlich abwarte? Du hättest genauso gut ein Feind oder wildes Tier sein können! Du hättest sicherlich nicht anders reagiert!"
Er konnte es einfach nicht fassen! Sie verstand es, ihn geschickt zu reizen und ihm dabei auch noch die Schuld zuzuweisen!
Doch dann sah er, wie sie sich kurz die Schulter rieb, trat einen Schritt auf sie zu und fragte mit sanfter, sorgenvoller Stimme:
"Habe ich dich verletzt? Hast du Schmerzen?"
Er befühlte vorsichtig ihre Schulter, konnte jedoch nichts feststellen, was seine Sorge begründet hätte. Er drehte den Kopf und hielt inne, als er sich ihrer Nähe nun bewusst wurde.

Er stand so nah bei ihr, dass er selbst in der Dunkelheit ihre Sommersprossen erkennen konnte, ihr Atem streifte warm seine Wangen, als sie zu ihm aufblickte und ihre Augen nahmen seinen Blick gefangen. Er fühlte die weiche Strähne ihres Haares auf seiner Hand, die immer noch auf ihrer Schulter lag und er erfasste sie, um sie durch sein Finger gleiten zu lassen und dabei streifte er mit den Fingerspitzen ihre Wange.
Sie verlagerte vor Unbehagen ihr Gewicht von einem Fuß auf den anderen und schob dann entschieden seine Hand beiseite und räusperte sich.
"Es geht mir gut!", murmelte sie und hoffte, dass er ihre Unsicherheit nicht aus ihrer Stimme heraus hören konnte!
Aus so unmittelbarer Nähe war sie sich seiner Anziehungskraft, die er auf sie ausübte, noch deutlicher bewusst! Seine Augen funkelten von einem klaren, hellen Blau unter dichten, langen Wimpern und sein Haar umrahmte fließend sein Gesicht und glänzte Golden.
Unwillkürlich trat sie einen Schritt zurück, als ihr wieder einfiel, wen sie da vor sich hatte und sie wollte schon ehrfürchtig ihren Kopf senken, als er ihr Kinn mit der Hand umfing und sie davon abhielt.
"Tu das nicht! Ich lege keinen Wert auf diese albernen Höflichkeitsfloskeln, bis jetzt sind wir doch ohne sie ganz gut zurecht gekommen, oder?"
Legolas könnte sich bei diesen Worten ein lächeln nicht verkneifen. "Nenn mich einfach Legolas, so wie meine Freunde es tun!"
Sie hörte seine ehrliche Bitte in dieser Äußerung und erwiederte dann sein Lächeln. Trotzdem überlegte sie noch eine Weile, was sie ihm darauf erwidern sollte, denn immerhin hatte sie hier Thranduils Erben vor sich, aber Legolas unterbrach ihre Überlegungen.
"Gefällt dir der Name nicht? Oder warum sagst du gar nichts mehr? Habe ich dir etwa die Sprache verschlagen?"
"Nein!", gab sie schroff zurück.
"Nein, du magst meinen Namen nicht, oder Nein, ich sage nichts mehr?", neckte er sie. Es machte ihm immer mehr Spaß, sich mit ihr zu unterhalten und er fühlte sich in ihrer Nähe endlich wieder seltsam frei, wie er es nicht mehr empfunden hatte, seid er mit Gimli Düsterwald erreicht hatte. Er konnte einfach nur er selbst sein, ohne sich überlegen zu müssen, was sein Handeln für Folgen haben mochte.
Und dann war da auch immer noch diese Anziehung, die sie auf ihn ausübte und er machte wieder einen Schritt auf sie zu.
"Warum bist du mir eigentlich hier?"

Tanhis wich instinktiv einen Schritt zurück, was nicht unbedingt zu ihrem Vorteil war, denn sie spürte einen der Findlinge in ihrem Rücken und erkannte, dass er sie geschickt in eine Falle gelotst hatte, denn nun konnte sie nicht weiter vor ihm weichen. Sie wagte es abermals, in seine Augen zu sehen und wünschte sofort, sie hätte es nicht getan, denn sie musste sich bei seinem Anblick eingestehen, dass sie ihm nur aus einem einzigen Grund gefolgt war. Sie hatte ihn wiedersehen wollen, denn seitdem sie ihn das erste Mal am Fluss getroffen hatte, war er ihr nicht mehr aus dem Sinn gegangen. Aber jetzt hatte sich einiges verändert! Er war der Sohn des Königs und das alleine reichte schon aus, um ihr zu sagen, dass es unmöglich war, sich auch nur mehr zu erhoffen! Sie war nur eine einfache Elbe, eine Kriegerin noch dazu, deren Aufgabe eigentlich darin bestand, ihn in Gefahren zu beschützen. Und was hatte sie getan? Ihn schon das zweite Mal durch ihre Dummheit verletzt!
Immer noch sah Legolas sie, auf eine Antwort wartend, an, doch sie brachte keinen klaren Gedanken zustanden, der ihr geholfen hätte, sie aus dieser Situation zu befreien.

Legolas wartete geduldig auf eine Antwort und hielt seinen Blick unverwandt auf sie gerichtet, was sie nur noch nervöser machte und schließlich machte er mit einem einzigen Schritt ihre ganzen Bemühungen zunichte und schloss wieder nah zu ihr auf.
"Weißt du eigentlich, dass du wunderschön bist?", fragte er sie plötzlich unvermittelt und lehnte sich mit einer Hand an den Stein, was ihr nun endgültig den Fluchtweg versperrte. Mit der anderen umfasste er abermals ihr Kinn, zog es ein wenig in die Höhe und noch bevor sie reagieren konnte, presste er seine Lippen auf ihre und sie wurde von einer Vielzahl an Gefühlen übermannt, die sie beinahe taumeln ließ.

Als er sich endlich von ihr löste, blickte er sie einen Moment mit einen Ausdruck des Erstaunens an, senkte dann wieder die Wimpern und küsste sie ein weiteres Mal.
Tanhis vermochte nicht anders zu reagieren, als seinen Kuss zu erwidern und bedauerte es fast, als er sich von ihr zurück zog.
"Das habe ich schon die ganze Zeit über tun wollen.", flüsterte er und trat dann beinahe verlegen einen Schritt nach hinten, als ob ihm gerade erst bewusst geworden war, was er da gerade getan hatte.

Legolas’ fuhr sich unsicher mit der Hand durch die Haare und sah verwirrt dieses bezauberte Wesen an, dessen Anwesenheit schon ausreichte, um ihn dazu zu bringen, sich selbst nicht mehr wieder zu erkennen! Was war nur in ihn gefahren, dass er sie einfach geküsst hatte?
Immer noch fühlte er ihre weichen Lippen auf seinen und es kam ihm der Gedanke, sie in seine Arme zu ziehen, um sich erneut der Versuchung hinzugeben, sich einen weiteren Kuss von ihr zu holen, aber er versuchte, diese Idee entschieden zu verdrängen und ihre Reaktion abzuwarten. Schließlich hatte er sie einfach überrumpelt und er wusste nicht, wie sie darauf reagieren würde. Er sah sie eindringlich an, um auf alles vorbereitet zu sein, denn auch wenn er sie erst das zweite Mal getroffen hatte, so wusste er sehr wohl, dass er sich bei ihrem Wesen auf alles gefasst machen musste!
Zu seiner großen Überraschung, handelte sie aber jetzt völlig unerwartet, als sie langsam auf ihn zu kam, dicht vor ihm stehen blieb und ihn eingehend musterte, bevor sie ihn anlächelte.

Tanhis verdrängte entschieden die warnenden Stimmen in ihrem Kopf, die ihr nur zu deutlich machten, auf was sie sich da einlassen würde, aber ihre Gefühle ergriffen ebenso entschieden die Überhand. Sie trat einen Schritt näher, sodass seine Arme sich mühelos um ihre Schultern schließen konnten und sie bot ihm ganz offensichtlich ihre Lippen zu einem weiteren Kuss an, als sie ihren Kopf in den Nacken legte und vertrauensvoll die Augen schloss.
Nur zu gerne kam er ihrer stummen Aufforderung nach und genoss es einfach sie zu spüren, jede Winzigkeit in sich aufzunehmen, die sie ausmachte.
Wie war es nur möglich, dass er sie bereits nach so kurzer Zeit so sehr in sein Herz geschlossen hatte? Bereits bei ihrer ersten Begegnung hatte er sich bald die Frage gestellt, wie es wohl wäre, wenn er sie küsste und jetzt stand er hier und hielt sie in seinen Armen!

Als sie sich endlich voneinander lösten, lag ein zufriedenes Lächeln auf ihren Lippen und sie wich seinem Blick nicht mehr befangen aus, sondern konnte ihn gar nicht mehr von ihm abwenden.
"Was ist nur in uns gefahren?", fragte sie flüsternd. "Es ist so falsch, aber doch empfinde ich es als absolut richtig hier bei dir zu sein! Ich wünschte, dass dieser Augenblick nie vergehen würde!"
Sie seufzte und schmiegte sich enger an ihn und er bot ihr bereitwillig den sicheren, geborgen Platz in seinen Armen.
"Es ist nicht falsch, Tanhis!"
"Aber was wird dein Vater denn sagen? Ihm wird das alles bestimmt nicht gefallen!"
Legolas verzog das Gesicht, als er wieder an seinen Vater erinnert wurde und schob sie ein Stückchen von sich, um ihr wieder ins Gesicht sehen zu können.
"Es ist mir egal, was er davon hält! Wichtig ist mir einzig und allein, was du dabei denkst und fühlst! Ich möchte überhaupt alles von dir erfahren! Leistest du mir noch etwas Gesellschaft? Ich möchte noch nicht wieder an die Feuer zurück, ich möchte einfach nur mit dir alleine sein!"

Nur zu gerne nahm sie seine Einladung an und als sie sich dicht nebeneinander auf den Boden setzten, hielt Legolas sie fest an sich gedrückt, während sie sich schweigsam die Sterne ansahen. Eine ganze Weile saßen sie einfach nur da, bis Tanhis anfing, Legolas alle möglichen Fragen zu stellen. Was damals im Ringkrieg geschehen war, wie es zu der Freundschaft zwischen ihm und dem Zwerg gekommen war und wie die anderen Gefährten waren. Legolas erteilte bereitwillig Auskunft und erzählte ihr ausführlich über alle Einzelheiten.
Die Nacht war bereits sehr weit fortgeschritten, als sie sich endlich auf den Weg machten, um in ihre Lager zurück zu kehren und erst, als Legolas Tanhis zu ihrer Schlafstatt begleitet hatte, machte er sich selbst auf den Weg in seine Unterkunft. Dort fand er Gimli bereits schnarchend in seinem Bett, doch er selbst war noch viel zu aufgewühlt um Schlaf zu finden. Also legte er sich, mit im Nacken verschränkten Armen, auf seine Liege und betrachtete gedankenverloren das Blätterdach über ihm und dachte an das, was an diesem Abend geschehen war.


Dritter Abschnitt

Etwa zur selben Zeit saß Aragorn immer noch in seinem Beratungszimmer und versuchte seine Gedanken zu ordnen. In den vergangenen Wochen waren seine Kundschafter des öfteren mit der Nachricht in Minas Tirith eingetroffen, dass sie Orks und Variags gesichtet hatten, die in kleinen Gruppen zwischen Khand, Umbar und dem Schattengebirge umher gezogen waren. Die Orks bereiteten ihm nicht sonderlich viel Sorge, denn immer wieder wurden einige in Mordor und Umgebung beobachtet, ein schwindend kleine Menge, übergeblieben nach der entscheidenden Niederlage der letzten großen Schlacht im Ringkrieg. Von ihnen ging keine sonderliche Gefahr aus, aber das die Variags sich in dieser Gegend aufhielten, gab ihm zu denken. Alleine das sie die Grenzen ihres Landes überschritten, war ein klarer Verstoß gegen seine Gesetze, die er ihnen auferlegt hatte und konnte bereits hart von ihm bestraft werden. Es war rein sein Gewissen gewesen, das ihn damals davon abgehalten hatte, dieses Volk bis zur Vernichtung zu verfolgen, nachdem sie sich auf Saurons Seite gestellt hatten und selbst dann noch gekämpft hatten, als ihr Führer besiegt worden war. Dabei waren sie mit einer grausamen Härte vorgegangen und es hatte viele Leben gekostet, sie dennoch zurückzudrängen und schließlich den Erfolg zu erlangen. Doch es hatte genug Kriege und Tote gegeben!

Aragorn seufzte und las ein weiteres Mal die letzte Botschaft, die er durch einen Boten am Morgen erhalten hatte, obwohl er sie bereits auswendig kannte. Schließlich ließ er das Schriftstück sinken und rieb sich die müden Augen, die im flackernden Kerzenlicht langsam zu schmerzen begannen und er sah zum Fenster. In der Ferne konnte er bereits den hellen Streifen der Morgendämmerung ausmachen.
Ein Knarren der Bodendielen vor der Türe lenkte seine Aufmerksamkeit schließlich von seinen trüben Gedanken ab und er sah, wie die Klinke der Türe langsam heruntergedrückt wurde und im nächsten Moment erschien Arwens Gestalt im Türrahmen.
"Arbeitest du immer noch? Es ist doch bereits so spät und morgen ist auch noch ein Tag! Komm!"
Als sie jedoch seinen sorgenvollen Blick sah, trat sie doch ins Zimmer, nahm gegenüber von ihm in einem Sessel platz und zog die Beine an, um sich in ihren Mantel zu hüllen, bevor sie ihm einen ernsten Blick zuwarf.
"Erzähl! Was beschäftigt dich so sehr, dass du keine Ruhe findest?"
Aragorn lächelte. Das war eines der Dinge, die er an ihr so liebte! Er konnte ihr nichts vormachen und er wusste nur zu genau, dass sie ohnehin keine Ruhe geben würde, bis er ihr alles erzählt hatte. Danach würde sie wie immer seine Vermutungen bedenken und sich selber ihre Meinung bilden, bevor sie ihm zustimmen, oder einen anderen Vorschlag vorbringen würde.
Mehr als einmal hatte er den Valar schon gedankt, dass er mit ihr gesegnet war, denn sie war äußerst klug und weise und stand ihm jederzeit zur Seite und war nicht mit einigen der Frauen zu vergleichen, die lediglich als Zierde neben ihren Männern standen.

So gab er ihr bereitwillig Auskunft und ließ nicht die geringste Kleinigkeit in seinem Bericht aus, um ihr einen umfassenden Eindruck der Situation zu verschaffen und auch als er geendet hatte, schwieg sie noch eine Weile.
"Das sind wahrlich keine guten Neuigkeiten!", bemerkte sie schließlich. "Die Orks haben sich immer schon im Schattengebirge versteckt, aber das die Variags ihre Grenzen überschreiten, kommt schon fast eine Kampfaufforderung gleich. Als wollten sie uns provozieren, oder sehen, wie weit sie gehen können, bis wir einschreiten! Was gedenkst du zu unternehmen?"
"Ich habe mit dem Gedanken gespielt, einen Wachposten in der Nähe der Grenzen zu postieren, etwa hundert Mann stark, um sie abzuschrecken! Erst wenn sie danach immer noch gegen das ihnen auferlegte Gesetz verstoßen, werde ich härte Maßnahmen einleiten."
Sie nickte bedächtig und hielt seinen Blick gefangen, bis sie ihm dann zustimmte.
"Ja, ich denke, das wäre eine gute Lösung. So zeigst du ihnen, dass du ihren Verstoß bemerkt hast, aber gibst ihnen noch die Gelegenheit, sich ohne einen Vorfall wieder zurück zu ziehen. Wollen wir hoffen, dass sie vernünftig genug sind und diese Warnung verstehen!"
Sie erhob sich und ging um den Tisch herum, beugte sich zu ihm herunter und lächelte ihn auffordernd an.
"Jetzt komm! Für heute hast du genug für dein Volk getan! Es wird Zeit, dass du an dich denkst! Außerdem willst du doch nicht die Ankunft unserer Freunde morgen verschlafen, oder?"

Die Hobbits! Natürlich! Fast hätte er völlig vergessen, dass sie bereits am nächsten Tag in Minas Tirith eintreffen würden!
Arwen bemerkte seinen überraschten Gesichtsausdruck und sah ihn tadelnd an.
"Du hattest es doch nicht etwa vergessen? Also wirklich mein Lieber! Du arbeitest entschieden zu viel, wenn du darüber sogar unsere Freunde vergisst!"
"Du hast wie immer recht! Ich werde versuchen mich zu bessern und damit du siehst, dass ich es ernst meine, fange ich gleich damit an und komme mit dir!"
Er stand auf und löschte die Kerze, dann gingen sie Arm in Arm in ihr Gemach und legten sich schlafen.

*

Die Stimmung in ihrer Gruppe war ausgelassen und heiter, denn während ihrer ganzen Reise hatten sie das beste Wetter gehabt und waren gut voran gekommen. Jetzt konnten sie bereits den weißen Turm in der Mittagssonne strahlen sehen und sie trieben ihre Ponys noch einmal an, denn sie konnten es kaum erwarten, die Freunde endlich wieder zu sehen!
Merry und Pippin stellten gerade laut die Überlegung an, was sie wohl für Leckereien erwarten würden und Sam verdrehte gespielt die Augen in Frodos Richtung, der sich darauf nur mit Mühe das Lachen verkneifen konnte.
Sam drehte sich im Sattel herum und blickte die Freunde tadelnd an.
"Könnt ihr denn an nichts anderes denken? Ich für meinen Teil bin viel mehr darauf gespannt, was es Neues zu berichten gibt, denn immerhin haben wir Streicher und Arwen jetzt schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen! Ich fand es sehr nett, dass sie uns einfach so nach Gondor eingeladen haben! Vergesst bloß nicht, euch dafür zu bedanken!"
Ohne ihre Antwort abzuwarten, wandte er sich wieder Frodo zu.
"Jemand sollte sie einmal im guten Benehmen unterrichten! Manchmal könnte ihnen ein wenig Anstand nicht schaden. Kein Wunder das jeder in Mittelerde denkt, wir Hobbits hätten nichts anderes als Essen im Sinn!"
"Ach Sam! Aragorn kennt uns doch schon lange und gut genug, dass er weiß, wie Merry und Pippin sind! Er hat sich außerdem schon längst ein eigenes Urteil über uns gebildet und weiß, dass wir auch noch andere Qualitäten haben! Das haben wir doch schon oft genug bewiesen!"
Damit gab Sam sich dann zufrieden und sie ritten das letzte Stück friedlich nebeneinander her.

Natürlich wartete ein angemessenes Mittagessen auf sie und sie verbrachten den Rest des Tages damit, ihr Wiedersehen gebührend zu feiern und sich alle Neuigkeiten zu erzählen. Merry wollte alles über Eowyn und Faramir erfahren und beschloss, ihnen gleich in den nächsten Tagen einen Besuch abzustatten, wenn er sich von der Reise bis nach Minas Tirith ein wenig erholt hatte. Pippin wollte ihn natürlich begleiten, denn er nutzte gerne jede Gelegenheit, mit Faramir über seinen Vater zu sprechen und viel über ihn zu erfahren.

Frodo saß mit Aragorn zusammen und zogen genüsslich an ihren Pfeifen.
"Hast du auch etwas von Legolas und Gimli gehört? Wo stecken die beiden denn im Moment?", fragte Frodo schließlich neugierig. Er hatte eigentlich fest damit gerechnet, dass sie auch in Minas Tirith sein würden.
"Legolas und Gimli sind noch vor einigen Wochen hier gewesen und waren auf dem Weg nach Düsterwald. Legolas hatte seine Familie schon lange nicht mehr gesehen und ich denke, er wird noch dort sein! Aber vielleicht überraschen sie uns ja noch mit ihrem Besuch! Sie waren sehr enttäuscht, dass nicht hier bleiben konnten, bis ihr da seid, aber sie mussten weiter!"
Frodo nickte wissend, denn er wusste, wie sehr Legolas an den Wäldern hing. Was den Zwerg anging, so konnte er sich immer noch nur wundern, was er aufgrund der Freundschaft zu dem Elben alles über sich ergehen ließ, denn Thranduil zeigte nur zu deutlich seine Abneigung über die Freundschaft seines Sohnes zu ihm.
"Zuzutrauen wäre ihnen ein Überraschungsbesuch! Vor allem Gimli wäre sicher froh über eine Abreise, wenn Thranduil sich ihm gegenüber wieder so abweisend verhält!"
Aragorn dachte bei diesen Worten aber auch an Legolas, denn er hatte noch deutlich das letzte Zusammentreffen von Vater und Sohn vor Augen, dass nicht sehr herzlich verlaufen war. Er wünschte Legolas sehr, dass sich diesmal die Lage anders verhielt, denn er hatte nur zu deutlich gespürt, wie viel Legolas daran gelegen war, doch das lag nicht in ihrem Ermessen. Einzig Thranduil und Legolas waren dazu in der Lage, etwas daran zu verändern.


Vierter Abschnitt

Legolas saß noch immer in dem großen Versammlungsraum mit dem Rat zusammen und hatte sein möglichstes getan, um einen neuen Streit mit seinem Vater zu vermeiden. Er hatte sich immer nur dann zu Wort gemeldet, wenn er es für angemessen hielt oder einen Einwand nicht mehr hatte länger zurückhalten können. Angesichts der späten Stunde, wanderten seine Gedanken aber immer öfter zu Tanhis, denn es waren so viele verschiedene Dinge besprochen worden, die eigentlich nicht der Zusammenkunft des Rates bedurft hatten, dass Legolas sich nicht mehr darauf konzentrieren konnte, was die Ältesten besprachen.

Er wurde jedoch jäh aus seinen Gedanken gerissen, als Thranduil ihn wütend anfuhr.
"Anstatt hier zu schlafen, solltest du lieber mehr Interesse an den Belangen deines Volkes zeigen! Als der Sohn des Königs hast du einige Entscheidungen mit zu treffen und du solltest den Ältesten mehr Respekt entgegenbringen!"
Legolas konnte nur mit Mühe seinen aufkeimenden Zorn zurück halten, doch er zwang sich, seinem Vater mit aller Ruhe zu antworten.
"Bei all meinem Respekt, Vater! Es ist schon erstaunlich, wie du die Dinge immer zu deinem Vorteil wenden kannst. Noch vor einer Woche hast du mir vor den Augen aller hier gesagt, dass ich meine Meinung für mich behalten soll! Und nun wirfst du mir eben dieses vor! Was verlangst du denn nun von mir?"

Thranduil funkelte seinen Sohn aufgebracht an, denn er konnte es nicht fassen, dass er ihm offen widersprach. Seine nächsten Worte sprach er mit absoluter Härte, die ihre Wirkung nicht verfehlten.
"Du bist es nicht würdig, der Sohn eines Königs zu sein! Du verhältst dich eher wie einer dieser plumpen Zwerge, die nicht die leiseste Ahnung von Anstand besitzen. Aber an ihnen ist dir ohnehin mehr gelegen, als an deinem Volk! Es ist wohl besser, wenn du dich ihnen anschließt, anstatt unsere wertvolle Zeit zu verschwenden! Und jetzt verlasse den Rat und komme mir vorerst nicht wieder unter die Augen."

In der Halle war absolute Ruhe eingekehrt und keiner wagte auch nur zu atmen. Fassungslos richteten die Ältesten die Blicke immer wieder auf Thranduil und dessen Sohn, aber niemand ergriff das Wort, um dem König zu widersprechen.
Legolas kämpfte gegen den Schmerz, den die Worte seines Vaters in seinem Herzen verursacht hatten und er war unfähig, auch nur ein Wort an ihn zu richten. Die Blicke seines Vaters durchbohrten ihn mit eisiger Kälte und schließlich verließ Legolas wie betäubt die Versammlung, ohne sich auch nur noch ein einziges Mal umzudrehen.

Er lenkte seine Schritte fast von selber wieder zu der kleinen Lichtung und suchte den Platz auf, an dem er noch am Abend zuvor so glücklich mit Tanhis zusammen gesessen hatte. Es schien bereits länger her zu sein, als lediglich diesen einen Tag, denn seine Gefühle waren jetzt völlig anders.
Immer noch hallten Thranduils Worte in seinem Kopf wider und eine Weile konnte Legolas keinen anderen Gedanken fassen.
Die Worte seines Vaters waren unmissverständlich gewesen und da sie in der Gegenwart des Rates gesprochen worden waren, zeugte dies auch von ihrer Ernsthaftigkeit! Thranduil hatte ihn mehr oder weniger als Sohn aberkannt und wollte ihn in keinerlei Weise mehr in die Entscheidungen des Rates mit einbeziehen.

Legolas wurde erst jetzt richtig bewusst, was das für ihn bedeutete, denn nachdem er vor Jahren bereits seine Mutter verloren hatte, hatte sich nun sein Vater von ihm abgewandt und ihm blieb nicht einmal mehr das Gefühl, zu einer Familie dazu zu gehören!
Warum hatte er nicht einfach seinen Mund gehalten und den erneuten Tadel stumm über sich ergehen lassen? Es hätte eine viel größere Stärke bewiesen, als sich offen mit seinem Vater anzulegen und diese Auseinandersetzung wäre ihnen beiden erspart geblieben! Doch wahrscheinlich hatte es sich so oder so nicht mehr lange vermeiden lassen, denn spätestens wenn Thranduil von Tanhis erfahren würde, wären sie aneinander geraten, denn sein Vater hatte eine ganz genaue Vorstellung von der Elbin, die Legolas einmal heiraten sollte und Tanhis würde sicher überhaupt nicht in dieses Bild passen.

Tanhis! Bei dem Gedanken an sie machte sich ein warmes Gefühl in seinem Inneren breit und vertrieb die düsteren Gedanken und Sorgen aus seinem Herzen, doch wie sollte er ihr verständlich machen, dass er vielleicht schon sehr bald die Kolonie wieder verlassen würde, denn diese Entscheidung ließ sich sicher nicht mehr lange herausschieben. Bald würden alle von dem Zwischenfall bei der Versammlung erfahren und es war offensichtlich, dass hier nicht genug Raum bestand, der es ermöglichte, seinem Vater immer aus dem Weg zu gehen!

Legolas versuchte noch einige Zeit eine Lösung für dieses Problem zu finden, denn er wollte noch nicht so schnell wieder aufbrechen, nicht jetzt, da er Tanhis gerade erst kennen gelernt hatte! Er wollte noch mehr Zeit mit ihr verbringen und diese auch genießen und wer wusste denn schon, ob sie nicht ebenso viel für ihn empfand wie er für sie! Vielleicht würde sie ja auch eines Tages mit ihm gehen, aber das konnte er jetzt noch nicht von ihr verlangen!

Er beschloss, den Vorfall erst einmal für sich zu behalten und seinem Vater aus dem Weg zu gehen. So würde er mehr Zeit haben, mit ihr und Gimli einige Ausflüge und Erkundigungen einzuholen und seinem Vater nicht ständig zu begegnen. Vielleicht war Zeit auch genau das, was er nun am Meisten benötigte, denn so konnte er in Ruhe über alles nachdenken und musste keine übereilte Entscheidung treffen, die er bald bereuen würde.
Zufrieden mit dieser Erkenntnis machte er sich dann zurück auf den Weg zu Tanhis und Gimli.

Die Beiden saßen gemütlich zusammen und Gimli war dabei, ihr Geschichten von den Zwergen zu erzählten. Tanhis lachte immer wieder herzhaft auf, denn der Zwerg verstand es, seine Geschichten großartig auszuschmücken und allmählich verstand Tanhis, warum Legolas ihn so sehr mochte und Gimli erging es bei Tanhis ebenso.
Bereits am Morgen hatte er sie mit dem Zwerg bekannt gemacht und Gimli hatte nur verschmitzt gelächelt, als er die beiden zusammen gesehen hatte. Es war nicht zu übersehen, was zwischen ihnen für eine Bindung bestand, denn sie nahmen ihn gar nicht richtig wahr, auch, als er sich lautstark bemerkbar gemacht hatte.
Erst als Legolas sich dann zum Rat begeben hatte, hatte Gimli die Gelegenheit bekommen, Tanhis besser kennen zu lernen und er hatte schnell begriffen, warum der Elb von ihr so angetan war.
Die Elbin war einfach erfrischend anders, als all die Elben, die er bis jetzt kennen gelernt hatte. Sie war offen und aufgeschlossen und konnte gar nicht genug bekommen, von den Erzählungen über sein Volk. Er erkannte aber, das es sich um ein ehrliches Interesse handelte und nicht nur aus Höflichkeit geschah.
Gimli beendete gerade seinen Bericht über die großzügige Gastfreundschaft der Zwerge, als Legolas das Lager betrat.
Gimli brach mitten im Satz ab, als er ihn erblickte und Tanhis drehte sich um, um die Ursache für das Verhalten des Zwergs zu finden und forderte ihn erfreut auf, ihnen Gesellschaft zu leisten.
Sie saßen noch einige Zeit zusammen und Gimli und Tanhis lachten und scherzten vergnügt miteinander, was auch Legolas hin und wieder ein Lächeln entlockte. Er freute sich sehr darüber, dass sich die beiden so gut verstanden und es zeigte ihm auch deutlich, das Tanhis sich nicht von den Vorurteilen der Elben über die Zwerge beeinflussen ließ und sich selber ein Bild von ihnen machte!

Schließlich entschuldigte Gimli sich gähnend, zwinkerte Legolas im hinausgehen vielsagend zu und machte sich auf in sein Lager. Der Zwerg war gerade aus ihrer Hörweite verschwunden, als Tanhis sich an Legolas wandte.
"Was ist los mit dir, Legolas? Du warst die ganze Zeit über so still und in dich gekehrt! Bereitet dir irgend etwas Sorgen?"
Legolas lächelte und zog sie fest in seine Arme.
"Es ist nichts weiter! Es hat mir nur sehr viel Freude bereitet zu sehen, wie gut ihr euch versteht! Das bedeutet mir sehr viel, weißt du! Außerdem war der Tag sehr lang und anstrengend und in der letzten Nacht bin ich dank dir ja auch erst sehr spät ins Bett gekommen!", neckte er sie, was ihm augenblicklich einen freundschaftlichen Schlag in die geprellten Rippen einbrachte und er zog geräuschvoll die Luft ein.
"Oh, das hatte ich ja schon völlig vergessen! Es tut mir leid, Legolas! Das wollte ich nicht!"
Besorgt zog sie seine Tunika beiseite und brachte einen riesigen blauen Fleck zum Vorschein, der umgehend ihre Schuldgefühle erwachen ließ.
"Tut es sehr weh?", fragte sie zerknirscht.
"Nur wenn ich lache!", versuchte er sie mit einem Scherz zu beruhigen, doch ihr Blick zeigte ihm, dass er damit nicht sonderlich viel Erfolg hatte.
"Mach dir keine Gedanken, das ist nichts im Vergleich zu anderen Verletzungen, die ich mir bereits zugezogen habe!"
Nachdem Legolas auch ihre letzten Zweifel beiseite geräumt hatte, blieben sie noch einige Zeit zusammen sitzen und genossen es einfach, dass sie zusammen waren, bis Legolas Gimli schließlich ins Lager folgte.

In den folgenden Tagen verbrachten sie viel Zeit miteinander und unternahmen einige Ausflüge. Gimli und Tanhis verstanden sich von Tag zu Tag besser und oft saßen die drei noch bis spät in die Nacht zusammen und erzählten miteinander, wobei Tanhis alles über die gemeinsamen Wanderungen der Freunde erfahren wollte.
Gimli richtete es aber oft so ein, dass er sich häufig früher von ihnen verabschiedete, damit Legolas und Tanhis Zeit für sich hatten und diese nutzen sie auch immer, um auf die kleine Lichtung zu gehen, wo sie ungestört waren.
So verstrichen einige Wochen und bald viel Gimli auf, dass der Elb an keiner der Versammlungen des Rates mehr Teil nahm oder seinen Vater aufsuchte. Außerdem war der Freund oft sehr still, mehr als gewöhnlich, und hing seinen Gedanken nach. Selbst in der Nacht hatte Gimli bereits schon des öfteren bemerkt, dass Legolas noch lange wach lag, doch Gimli war geduldig und wusste, das er noch früh genug die Gründe dafür erfahren würde.


Fünfter Abschnitt

Die Hobbits genossen jede Minute ihrer Zeit in Gondor und oft saßen sie mit Aragorn und Arwen lange zusammen, wobei sie auch jedes Mal eine beträchtliche Mahlzeit verputzten und sich Geschichten erzählten oder über alte Zeiten sprachen. Merry und Pippin machten sich bald auf zu Faramir und Eowyn, um die beiden zu überraschen und sie dann mit nach Minas Tirith zu bringen.

An einem Abend, als Frodo und Sam noch nach dem Essen mit Arwen und Aragorn beisammen saßen, wurde Aragorn von einem der Boten aufgesucht und entschuldigte sich mit besorgter Mine, um sich in sein Beratungszimmer zu begeben, wo er von einem Wachposten erwartet wurde. Der Mann zeigte deutliche Spuren eines langen und schnellen Rittes, denn er war überall mit Staub und Schmutz bedeckt, der Schweiß stand ihm auf der Stirn und immer noch ging sein Atem rasch, ein Zeichen dafür, dass er erst vor wenigen Minuten eingetroffen war und seine Botschaft äußerst dringend sein musste, wenn er sich nicht einmal die Zeit genommen hatte, wenigstens den gröbsten Schmutz zu entfernen.
Aragorn straffte unwillkürlich die Schultern und wappnete sich gegen das, was der Wachmann ihm nun mitteilen mochte, begrüßte ihn jedoch freundlich und forderte ihn auf zu berichten, nachdem er hinter seinem Tisch Platz genommen hatte.
"Herr, verzeiht die späte Störung, aber es gibt dringende Nachricht von unserem Posten im Süden!
Es ist bereits drei Tage her, da beobachteten wir, wie sich eine beträchtliche Gruppe von Orks an den Grenzen von Khand versammelten, mehr, als wir noch in dieser Gegend vermuteten. Sie schlugen ein Lager auf und verhielten sich friedlich, deshalb haben wir lediglich einige Späher zu ihrer Bewachung vor Ort gelassen. Am nächsten Tag erreichte uns dann jedoch eine Botschaft aus Ithilien, von der dortigen Truppe, dass sich einige Variags Düsterwald genähert hätten, die von Orks begleitet wurden. Wir sandten umgehend einige Beobachter nach Mordor und in die Schattengebirge und mussten feststellen, dass sich dort zwei riesige Lager gebildet haben. Anscheinend sind die Orks und Variags ein Bündnis mit den Haradrim eingegangen!"

Aragorn lehnte sich bei diesen Worten weiter vor und versuchte, sein Entsetzen vor dem Mann zu verbergen. Wenn das stimmte, so sahen sie schlimmen und unruhigen Zeiten entgegen, denn die Haradrim waren immer schon feindlich gegenüber Gondor gestimmt gewesen und hatten sich immer wieder dem Feind angeschlossen, der sich gegen das Land gerichtet hatte. Die Krieger kämpften ohne Gnade und mit noch größerer Härte als die Variags und Orks, wobei man sich gegen Pfeil und Bogen, Speeren, Dolchen und Krummschwertern rüsten musste, die alle erbarmungslos im Kampf eingesetzt wurden. Doch nicht nur im offenen Krieg traf man auf den alten Feind; die Haradrim hatten schon in den vergangenen Zeitaltern immer wieder Raubzüge und Überfälle gegen die Küstenstädte verübt, die zu Gondor gehörten, wobei sie selbst Frauen und Kinder nicht verschonten.
Sie suchten sich stets einen oder mehrere Verbündete, um ihr Heer zu vergrößern und somit die Gewissheit zu haben, dass sie überlegen waren, so wie sie es nun mit den Orks und den Variags getan hatten.
Aragorn kam bei seinen Überlegungen der Verdacht, dass sie sich schon bald in einer ausweglosen Situation befinden würden und auf seine nächste Frage erhielt er eben diese Bestätigung.

"Wie viele sind es und wie verhält es sich in Ithilien?"
"Dort ist es nicht minder Besorgniserregend, Herr! Es sind auch dort große Lager gesichtet worden. Allem in allem dürfte es eine Streitmacht von gut und gerne sechstausend Mann sein, die uns von beiden Seiten angreifen könnte!"
Aragorn erhob sich und trat ans Fenster und betrachtete das vor ihm liegende Land, dass sich friedvoll vor ihm erstreckte. Doch der Schein trog, wie er mit Bedauern nun feststellen musste und er mochte sich nicht vorstellen, von welch kurzer Dauer diese Ruhe noch sein würde.
Er musste schnellstens etwas gegen die heraufziehende Gefahr unternehmen und sein Volk auf einen Angriff vorbereiten!
Er wandte sich zu dem Mann um, der immer noch auf seinem Platz stand und gegen die Erschöpfung ankämpfte und Aragorn entließ ihn, damit er sich zur Ruhe begeben konnte.
"Geht und holt euch in der Küche eine Stärkung: Ich werde euch ein Lager für die Nacht richten lassen und morgen werdet ihr meine Anweisungen entgegen nehmen können! Ich brauche noch Bedenkzeit!"
"Jawohl mein Herr!"

Als sich der Bote zurück gezogen hatte, ließ sich Aragorn schwer auf seinen Stuhl niedersinken und rieb sich mit den Händen durch das Gesicht. Das waren schlechtere Nachrichten, als er erwartet oder vermutet hatte!
Fest stand jedenfalls, dass sich dieses Heer auf einen Kampf vorbereiteten, sonst hätten sie niemals eine solche Streitmacht zusammen gerufen und sich so geschickt postiert. Auch das sie es mit der größten Sorgfalt ausgeübt hatten, ließ nur diese Vermutung zu, denn sie hatten sich sicher über eine lange Zeit in nur kleinen Gruppen über die Grenzen geschlichen, ohne Verdacht zu erregen und seinen Botschaftern war nicht das geringste aufgefallen! Selbst er hatte sich in Sicherheit gewiegt und nur eine lächerliche Beobachtungsmaßnahme durchgeführt, die dem Feind nicht das geringste anhaben konnte!

Aragorn musste nun so schnell wie möglich handeln, denn ein Angriff konnte jederzeit stattfinden und darauf war die Stadt nicht im geringsten vorbereitet! Er musste umgehend Hilfe in Edoras und Düsterwald anfordern und Faramir in Kenntnis setzen, denn er würde sich als erster der feindlichen Streitkraft gegenüber sehen und benötigte aus diesem Grund unterstützende Truppen.
Rasch verfasste er die nötigen Schriftstücke und schickte einen Diener nach Boten, die sich noch in der Nacht auf den Weg begeben sollten, um Faramir, Êomer und Thranduil zu benachrichtigen.

Außerdem schrieb er noch einen Brief an Gandalf, der sich in Bruchtal befand. Er teilte ihm die Beobachtungen mit und bat ihn, sich umgehend auf den Weg zu machen, um ihm bei den nächsten Entscheidungen beizustehen. An Elrond richtete er durch ihn eine weitere Bitte, sie durch weitere Krieger seines Volkes zu unterstützen, denn selbst wenn sich alle Truppen in ihrer Nähe zusammen schlossen, so würden sie dennoch in der Unterzahl sein!

*
Mit Argwohn beobachteten Arwen und die Hobbits, wie der Wachmann das Zimmer von Aragorn verließ und sich nach einiger Zeit einige Boten dorthin begaben. Mit Schriftstücken, die das offizielle Siegel des Königs trugen, machten sie sich bald darauf auf den Weg zu den Ställen und unter schnellem Galopp verließen sie dann die Stadt.
"Das bedeutet sicher nichts Gutes! Aragorn würde zu solch später Stunde keine Boten aussenden, wenn es nicht sehr ernst wäre. Was mag der Wachmann ihm wohl für Nachrichten gebracht haben?"
Frodo stand am Fenster und sah den Reitern nach, die rasch in der Dunkelheit der Nacht verschwanden.
Arwen trat neben ihn und legte ihm die Hand auf die Schulter, aber auch ihr standen die Sorgen deutlich im Gesicht geschrieben.
"Wir werden es schon noch erfahren, was das alles zu bedeuten hat! Aber ich fürchte, dass du Recht hast, lieber Frodo! Es muss große Eile von Nöten sein, wenn Aragorn nicht bis zum Einbruch des Tages wartet!
Aber ich bin mir sicher, dass wir den Grund dafür auch bald erfahren werden!"
Frodo nickte. Es würde ihnen wohl nichts anderes übrig bleiben, als abzuwarten, aber sein Gefühl sagte ihm schon jetzt, dass ein neues Unheil bevorstand.

*

Legolas stand noch zögernd hinter einem der Bäume und beobachtet Tanhis, die sich angeregt mit einem Krieger ihrer Truppe unterhielt. Eben hatte er mit Gimli gesprochen und ihm von dem Vorfall zwischen ihm und seinem Vater erzählt.
Gimli hatte nur verächtlich geschnaubt und die Entscheidung von Legolas als richtig erachtet, dass es besser war, wenn sie so bald wie möglich die Kolonie verließen. Das Legolas Tanhis bitten wollte, sie zu begleiten, hatte den Freund nicht im mindesten überrascht und er hatte ihm einen freundschaftlichen Schlag auf die Schulter gegeben und nur gebrummt.
"Dann hat sie es also wirklich geschafft, dir den Kopf zu verdrehen! Aber das wundert mich überhaupt nicht, denn sie ist wahrlich eine ganz besondere Elbin!"

Legolas wartete, bis Tanhis das Gespräch beendete und sich wieder ihrer Ausrüstung zuwandte, um ihre Waffen zu überprüfen und erst als er sich ganz sicher war, dass sie ungestört waren, löste er sich aus dem Schatten der Bäume und ging zu ihr. Er hatte sie noch nicht ganz erreicht, als sie schon den Kopf hob und ihn lächelnd ansah und als er schließlich bei ihr angelangt war, schloss sie ihn fest in die Arme.
Als sie sich aus ihrer Umarmung lösten, trafen sich ihre Blicke und sofort nahm Tanhis einen besorgten Gesichtsausdruck an, denn sie erkannte, dass Legolas irgend etwas sehr beschäftigte.
"Willst du mir nicht verraten, was dich bedrückt? Seid Tagen merke ich schon, dass etwas nicht stimmt! Du bist oft so ungewöhnlich still und traurig!"

Legolas löste sich aus ihrer Umarmung und nahm ihre Hände in seine, doch ihm schienen nicht die richtigen Worte einzufallen, die auszusagen vermochten, was er nun schon seid einigen Tagen auf dem Herzen hatte.
Abwartend lag ihr Blick auf ihm und schließlich seufzte Legolas und er beschloss, ihr ohne Umschweife alles zu erzählen.
"Erinnerst du dich an den Abend, als ich von der Versammlung mit meinem Vater und den Ältesten wiedergekommen bin? Nun, bei dem Rat ist etwas vorgefallen und ich habe es dir bis jetzt noch nicht erzählt, weil ich selber erst einmal eine Entscheidung treffen musste!"
Tanhis sah ihn aufmerksam an und er konnte nur zu genau sehen, dass sie sich während seinen Worten bemühte, die Fassung zu behalten. Sie schien zu ahnen, dass das erst der Anfang war.
"Tanhis, an dem Abend habe ich mich fürchterlich mit meinem Vater gestritten und es sieht nicht so aus, als ob sich das in nächster Zeit wieder einrenken würde. Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht, aber es ist wohl das Beste, wenn ich Düsterwald verlasse und...."
Tanhis hob abrupt den Kopf und in ihren Augen machte sich der Ausdruck von Angst breit.
"...und ich wollte dich fragen, nun ja. Tanhis - würdest du mit mir kommen?"

Augenblicklich schossen ihr die Tränen in die Augen und noch bevor Legolas auch nur die Anstrengung unternehmen konnte, die Hand zu heben, um sie ihr wegzuwischen, fiel sie ihm in die Arme.
"Oh, Legolas! Für einen Moment dachte ich schon, du wolltest ohne mich gehen! Natürlich werde ich mit dir kommen!"
Erleichtert atmete Legolas auf und drückte sie fest an sich. All seine Befürchtungen, er könnte sie deswegen wieder verlieren, weil sie noch nicht bereit war nach so kurzer Zeit mit ihm zu gehen, lösten sich auf und glücklich suchte er schließlich ihren Blick.
"Wie hätte ich denn ohne dich gehen können! Aber ich hatte ebensoviel Angst, dass du lieber hier bleiben willst!"
Anstatt einer Antwort, stellte sie sich auf die Zehnspitzen und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen und als sie sich von ihm löste, funkelten ihre Augen verschmitzt.
"Ich kann dich doch nicht ohne meinen Schutz ziehen lassen! Du schaffst es womöglich noch und läufst einer verrückten Elbin vor die Pfeilspitze!"
Legolas lachte herzlich auf.
"Das ist bereits geschehen, aber ich würde es jederzeit wieder tun!"

Gemeinsam machten sie sich dann auf den Weg, um Gimli von der frohen Botschaft zu erzählen und dieser freute sich nicht minder über die Neuigkeit, dass Tanhis sich ihnen anschloss.
Sie beschlossen, gleich am nächsten Tag aufzubrechen und verbrachten den Rest des Tages damit, alles für ihre Reise vorzubereiten. Außerdem musste Tanhis sich noch von dem Hauptmann ihrer Gruppe abmelden, der sich nicht sonderlich begeistert zeigte, doch nachdem sie auch das hinter sich gebracht hatten, zogen sich Legolas und Tanhis zurück, um ein wenig alleine zu sein.
Gimli sah den beiden versonnen nach und er konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen!
"Wer hätte gedacht, dass dieses Spitzohr sich von einer Elbin zähmen lässt? Dieses Grünblatt ist doch immer für eine Überraschung gut! Sie geben aber auch ein schönes Paar ab!"

*

Legolas hatte sich gemütlich gegen einen der Bäume gelehnt und Tanhis nutzte auf gleiche Weise seinen Brustkorb und schmiegte sich eng an ihn. Der Wald um sie herum war in friedvolle Stille gehüllt, nur das zirpen der Grillen und der vereinzelte Ruf einer Eule unterbrachen die Ruhe, die sie umgab.
Tanhis Gedanken kreisten immer um ihren Aufbruch am nächsten Tag und ein verlockendes Kribbeln machte sich in ihrem Inneren breit, wenn sie an diese Reise dachte. Bisher hatte sie immer ein klares Ziel vor Augen gehabt, wenn sie sich für eine Wanderschaft bereit gemacht hatte, doch nun hatte sie nicht im entferntesten eine Ahnung von dem, was vor ihr lag, doch es spielte auch keine Rolle. Die Hauptsache bestand für sie darin, dass Legolas bei ihr war, alles andere war ihr egal. Sie drehte den Kopf, um ihn zärtlich zu betrachten und wieder begann in ihrer Brust ihr Herz wie wild zu klopfen.
Er hatte den Blick auf einen Punkt in der Finsternis gerichtet und schien mit seinen Gedanken an einem anderen Ort zu sein, zwischen seinen Brauen, die er konzentriert zusammenzog, hatte sich eine kleine Furche gebildet. Seine blonden Haare fielen offen über seine Schultern und kitzelten Tanhis an der Nasenspitze und sie schob die Strähne zärtlich aus seinem Gesicht. Dabei streifte sie seine Wange und Legolas fuhr erschrocken zusammen, so, als ob er völlig vergessen hätte, dass sie hier bei ihm saß und er sich ihrer erst durch ihre Berührung wieder erinnert hätte.
Sofort kehrte die Sorge in ihr Bewusstsein zurück und sie legte ihm mitfühlend die Hand an die Wange, doch das erhoffte lächeln von ihm blieb diesmal aus und er sah sie mit einem Ausdruck an, den sie nicht zu deuten vermochte. Langsam hob er nun seine Hand und ergriff die ihre.

"Tanhis!", murmelte er und in seiner Stimme schwang Traurigkeit mit. "Ich habe mich noch nie mit einer Person so glücklich gefühlt wie mit dir! Und doch vermag ich nicht zu sagen, das mein Herz glücklich ist. Ich werde morgen alles verlieren, was mir einmal alles bedeutet hat."
Nur zu gut konnte sie ihn verstehen und wenn sie nur gewusst hätte, wie sie ihm diesen Schmerz nehmen konnte, hätte sie es nur zu gerne getan, doch jedes Wort schien ihr dafür in keiner Weise passend. Schließlich konnte sie jedoch nicht mehr länger schweigen.
"Was genau ist eigentlich zwischen dir und deinem Vater vorgefallen? Du hast bis jetzt immer nur Andeutungen gemacht!"
Legolas rang sich ein gequältes Lächeln ab und wich ihrem Blick aus und er wartete solange mit einer Antwort, dass sie schon glaubte, er würde ihr nichts darauf entgegnen.
"Es ist nicht alleine der Streit beim Rat zwischen uns, der mich mit Kummer erfüllt! Zwischen mir und meinem Vater gab es nie das kleinste Gefühl der Zuneigung, jedenfalls nicht von seiner Seite, denn er war immer mehr nur mein König, anstatt mein Vater! Egal was ich getan habe, er verlangte immer mehr von mir und nichts konnte ich ihm recht machen. Anfangs habe ich alles versucht, damit ich endlich seine Anerkennung erhalte, aber ich habe bald eingesehen, dass es aussichtslos war. So bin ich schnell zu dem Entschluss gekommen, meinen eigenen Weg zu gehen und ich habe versucht, mich damit abzufinden. Doch egal wie oft ich mir selber sage, dass mir das nichts ausmacht, so trifft mich sein Verhalten doch immer wieder!"

Er umschlang sie mit seinen Armen und zog sie fest an sich und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.

Tanhis hätte nur zu gerne gewusst, wie seinen Kummer etwas hätte lindern können, doch sie vermochte nicht die richtigen Worte zu finden und so hielt sie einfach in ihren Armen und spendete ihm mit ihrer Anwesenheit Trost.
Sie hielten sich noch eine Weile so umschlungen und erst, als sich schwere Wolken vor die Sterne schoben und der Wind auffrischte, kehrten sie in das Lager zurück, um sich schlafen zu legen.


Sechster Abschnitt

Frodo hockte in einem der großen Lehnstühle dicht am wärmenden Kaminfeuer und warf einen Seitenblick auf Sam, der neben ihm saß. Das Gesicht des Freundes zeigte nicht die geringsten Anzeichen dafür, was ihm bei Aragorns Bericht durch den Kopf ging, doch diese trügerische Ruhe bestand nur in seinem Inneren, dass wusste Frodo nur zu genau!
Aragorn verhielt sich ähnlich, doch bei ihm sah Frodo auch die Erschöpfung, die ihm die vergangenen Tage bereitet hatten in denen er nicht eine Nacht geschlafen hatte. Er hatte unablässig alles getan, um die Stadt gegen einen Angriff vorzubereiten, hatte das Heer ihre Posten aufstellen lassen, sich bis tief in die Nacht mit den Hauptmännern der Truppen beraten und war vor zwei Tagen selbst fortgeritten, um sich ein genaues Bild der Lage zu machen.
Erst vor wenigen Stunden war er zurückgekehrt und hatte den Hobbits endlich einen ausführlichen Bericht über die bedrohliche Lage gemacht, nachdem er sich wenigstens ein wenig Ruhe gegönnt hatte, doch auch jetzt trug er wieder seine bequeme Reitkleidung, ein sicheres Zeichen dafür, dass er bald wieder aufbrechen würde.

"So wie die Dinge liegen, meine Freunde, ist es wohl das Beste, wenn ihr umgehend zurück ins Auenland reist! Noch sind die Grenzen frei und ich könnte einen schnellen Aufbruch für euch vorbereiten! Faramir hat Merry und Pippin das auch angeboten und ich erwarte seine Botschaft mit ihren Entscheidungen."
Aragorn musterte die Hobbits eingehend und wünschte sich, sie mochten Vernunft zeigen und sich in Sicherheit begeben, doch mehr als einmal hatten sie sich seinen Wünschen widersetzt.
Jetzt richtete Sam seinen Blick zu Frodo und die beiden schienen sich stumm miteinander zu verständigen und schließlich sah Frodo Aragorn eindringlich an.
"Merry und Pippin werden niemals einfach ins Auenland zurück kehren, wenn hier eine solche Gefahr für euch besteht – und wir ebenfalls nicht! Wir können euch doch nicht einfach alleine lassen!", ereiferte er sich. "Wir werden euch beistehen und euch helfen, wo wir nur können!"
Frodo war bei seinen Worten aufgestanden und hatte sich, mit den Händen in den Hüften gestemmt, vor Aragorn zu seiner vollen Größe aufgebaut und hielt entschlossen seinem Blick stand. Sam beeilte sich, es ihm gleich zu tun, was Aragorn die Andeutung eines Lächelns auf das müde Gesicht trieb.
"Genau das hatte ich befürchtet! Aber wenn das eure Entscheidung ist, so werde ich sie respektieren! Versprecht mir aber, dass ihr nichts ohne mein Einverständnis unternehmen werdet, was euch in Gefahr bringen würde."
Aragorn zog wissend die Brauen hoch, als die Hobbits viel zu schnell mit den Köpfen nickten und seufzte. Dies verminderte seine Sorgen nicht im geringsten, doch es blieb keine Zeit mehr, weiter mit ihnen darüber zu reden, denn er musste sich wieder zu den Truppen begeben, um ihre weiteren Schritte mit den Befehlshabern zu besprechen.

Als er gegangen war, wechselten Frodo und Sam einen vielsagenden Blick.
"Es sieht mal wieder gar nicht gut aus, Herr Frodo!"
"Nein, Sam! Aber ich vertraue auf Aragorn und die anderen! Sie werden es mit vereinten Kräften schon schaffen und wir werden ebenfalls helfen wo wir nur können! Für das Erste werden wir uns als Boten anbieten, um zwischen den Lagern zu vermitteln, so bleiben wir auch auf dem laufenden über die Lage! Komm!"
Frodo wandte sich schon zum Gehen, doch Sam hielt ihn am Arm gepackt zurück.
"Ich habe Angst, Herr Frodo!"
Sam ließ Schultern und Arme hängen und wirkte entsetzlich hilflos in Frodos Augen und er machte einen Schritt auf ihn zu und schloss ihn in die Arme.
"Ich auch, Sam! - Ich auch!"

*

Seid sie aufgebrochen waren, hatte es nicht mehr aufgehört zu regnen und inzwischen waren sie bis auf die Haut durchnässt. Sie waren nicht ganz zwei Tage unterwegs und das trübe Wetter hatte ihre gute Laune um einiges herab gesenkt.
Unablässig tropfte Tanhis das Regenwasser von der Kapuze ihres Unhangs ins Gesicht, wo sich die Tropfen zusammenschlossen und in kleinen Rinnsalen ihren Hals hinunter liefen. Gimlis Pony trottete mit gesengtem Haupt neben ihrer Stute und sein Reiter murmelte unablässig einen lästerlichen Fluch nach dem anderen, was Tanhis ein verstohlenes Lächeln auf die Lippen zauberte.
Sie wandte den Kopf und blickte über die Schulter zu Legolas, der sich ebenfalls die Kapuze tief ins Gesicht gezogen hatte, doch sie sah seine hellen Augen in deren Schatten aufleuchten, als sich ihre Blicke trafen und ihr Lächeln verbreiterte sich. Selbst der kalte Wind konnte die Wärme in ihrem Inneren nicht abkühlen, die sein Anblick in ihrem Herzen entfachte und sichtlich zu ihrer besseren Laune beitrug. Auch die Gedanken an das erste Ziel ihrer Reise, ließ ihre Vorfreude ansteigen, denn sie konnte es kaum erwarten, endlich Legolas’ Freunde kennen zu lernen, von denen sie bereits soviel von ihm und Gimli erfahren hatte.
Um den Zwerg ebenfalls auf andere Gedanken zu bringen, beugte sie sich etwas zu ihm herunter und tippte ihm freundschaftlich auf die Schulter.
"Werter Gimli, seid ihr euch sicher, dass sich die Hobbits noch in Minas Tirith aufhalten? Ich bin doch schon so neugierig darauf, sie zu sehen! Sind sie wirklich noch kleiner als ihr?"
Das genügte, um den Zwerg umgehend von seiner schlechten Laune abzulenken, denn er begann sofort, Tanhis alles über die Hobbits zu erzählen, wobei er immer wieder betonte, dass die Zwerge sie mindestens um einen Kopf überragten! Seine Aufklärung wurde von weit ausholenden Armbewegungen noch unterstützt und mehr als einmal konnte er nur noch mit Mühe sein Gleichgewicht halten, sonst wäre er aus dem Sattel gerutscht und auf den morastigen Boden gefallen.

So verging einige Zeit und endlich riss die Wolkendecke auf und der Regenfall endete, die Sonne lenkte ihre wärmenden Strahlen auf die kleine Gemeinschaft und vertrieb bald die Nässe und Kälte aus ihren Kleidern. Das Licht der Sonne ließ die feuchten Blätter der Bäume glitzern und leuchten und das Gras verströmte einen frischen Duft.
Unter einer riesigen Eiche, deren Äste eine schützende Laube bildeten, fanden sie einen trocken Platz für eine ausgedehnte Rast in der Nähe eines kleinen Bachs. Während Gimli und Tanhis damit begannen, ein Lager herzurichten, machte Legolas sich auf, um ihre Wasserflaschen neu zu füllen. Er kniete sich neben den friedlich dahin plätschernden Strom und tauchte seine Hand ins Wasser, um einen Schluck zu trinken. Sein Blick wanderte über den Waldrand auf der anderen Seite, das dichte Unterholz und die Büsche dahinter, und er wollte sich gerade wieder abwenden, um zurück zu seinen Freunden zu gehen, als er zögernd inne hielt. Er schloss die Augen und lauschte konzentriert auf die verschiedenen Geräusche, die um ihn herum die Luft erfüllten, doch was auch immer er kurz wahr genommen hatte, war verschwunden.

Mit weit ausschweifenden Schritten kehrte er zu Tanhis und Gimli zurück, die schon auf ihn warteten. Legolas nahm das Lembas-Brot, dass Tanhis ihm reichte und ließ sich an einen Baum gelehnt nieder, während er ein Stück ihrer Wegzehrung abbrach und sich in den Mund schob.
Gimli hatte immer noch nicht aufgehört, Tanhis seine Lobesgeschichten über die Zwerge zu erzählen und Legolas hörte ihm ebenfalls einige Zeit zu, bis er seine Aufmerksamkeit wieder auf ihre Umgebung richtete.
Irgend etwas bereitete ihm Unbehagen, doch so sehr er auch versuchte, dieses Gefühl zu deuten, so konnte er nichts entdecken, was seine Unruhe erklärte. Er sah zu Tanhis herüber, doch sie hatte ihre Aufmerksamkeit ganz auf Gimli gerichtet und schien nicht im geringsten ihre Umgebung zu beachten.
Erneut wanderte sein Blick unruhig über die Landschaft, um jede Einzelheit auszumachen – wieder erfolglos.
Was sollte auch hier für eine Gefahr lauern, versuchte er sich selbst zu beruhigen. Wir sind immer noch in Düsterwald und was sollte hier schon geschehen?
"...nicht war, Legolas?"
Gimlis Stimme riss ihn aus seinen Gedanken und er nickte zustimmend, ohne zu wissen, was der Zwerg gerade gesagt hatte. Gimli schnaubte.
"Wenn es dich nicht interessiert, was ich erzähle, Herr Grünblatt, dann sag es ruhig! Ich..."

Gimli bekam keine weitere Gelegenheit, den Satz zu beenden, denn um sie herum überschlugen sich plötzlich die Ereignisse.
Die Pferde, die bis eben noch friedlich gegrast hatten, scheuten und stoben auseinander, aus dem Unterholz des Waldes brachen eine ganze Horde von bewaffnete Orks, die ihre Schwerter kampfbereit in die Höhe hoben. Ihre stampfenden Schritte ließen den Waldboden unter Legolas’ Füßen schwach vibrieren, eine sanfte Welle geballter Kraft der sich nähernden Feinde. Hinter den Orks tauchten einige dunkelhäutige Männer auf, die weite, rote Umhänge trugen und umgehend einen Pfeilhagel auf sie abschossen.

Legolas konnte Gimli gerade noch zu Boden werfen, bevor einer der Pfeile genau an der Stelle einschlug, wo er zuvor noch gesessen hatte und instinkttief ließ sich auch Tanhis fallen. Sie warteten nicht lange ab, sondern rafften eilig ihre Bündel und brachten sich hinter dem Stamm der Eiche in Deckung, wobei Legolas Gimli mit Gewalt festhalten musste, um den erzürnten Zwerg davon abzuhalten, seinen Angreifern entgegen zu stürmen.
"Lasst mich los! Was tut ihr denn? Ich werde ihnen zeigen, was es bedeutet einen Zwerg zum Kampf herauszufordern!" Gimlis Zorn war entfacht, aber Legolas drückte ihn entschieden gegen den Stamm der Eiche und ein eindringlicher Blick des Elben reichte aus, um Gimli zur Vernunft zu bringen.
"Aber lasst noch welche für mich übrig!", knurrte er, als Legolas und Tanhis ihre Bögen spannten.

Blitzschnell brachten Legolas und Tanhis eine Vielzahl der Orks zu Fall, doch an deren Stelle eilten nun die Bogenschützen, ebenfalls mit gezogenen Waffen.
Legolas feuerte einen Pfeil nach dem anderen ab, doch schließlich griff seine Hand ins Leere und er warf seinen Bogen mit einem elbischen Fluch auf die Erde. Noch während er seine Kurzschwerter mir beiden Händen hinter seinen Schultern hervorzog, warf er Gimli einen Blick zu, der bestätigend seine Axt empor hielt, bevor er Tanhis ein Zeichen gab, um ihnen Rückendeckung zu geben. Tanhis nickte und spannte erneut ihren Bogen, doch auch sie besaß nicht mehr viele Pfeile und immer noch war die Anzahl ihrer Gegner erschreckend hoch.
Gimli und er rannten gleichzeitig aus der Deckung und stellten sich den ersten Angreifern entgegen, während Tanhis mit ihren letzten Pfeilen die Nachhut ihrer Gegner unter Beschuss nahm.
Etliche Orks wurden von Gimlis kreisender Axt getötet und Legolas schaffte es, weiteren Gegnern die Kehle durchzuschneiden.

Legolas sah sich suchend nach Tanhis um, die sich in der Zwischenzeit aus ihrer Deckung gelöst hatte und mit ihrem Schwert an Gimlis Seite geeilt war. Sie bewegte sich schnell und geschickt, wich immer wieder den Schlägen ihrer Feinde aus und traf ihrerseits stets ihr Ziel.
Mit Entsetzen stellte er jedoch fest, dass die Angreifer es geschickt verstanden, jeden von ihnen so abzudrängen, dass sie sich immer weiter voneinander entfernten. Bald würden sie so weit auseinander gezogen sein, dass sie problemlos eingekreist werden konnten und immer noch sahen sie sich einer großen Überzahl gegenüber und es wäre dann nur eine Frage der Zeit, wann sie überwältigt wären.
"Tanhis! Gimli! Zurück zu den Bäumen!", schrie er über den Kampflärm hinweg, während er ununterbrochen den kraftvollen Schlägen Gegenwehr leistete.
Im Wald konnten die Orks sie nicht so offen bedrängen und vielleicht konnten sie dann ihrerseits die Gruppe auseinanderziehen und zerstreuen, um einen besseren Fluchtversuch wagen zu können, denn ein Sieg war ausgeschlossen. Die Überzahl war einfach zu groß.

Sie hatten schon fast den Schutz der Bäume erreicht, als Legolas aus den Augenwinkeln sah, wie sich drei Orks auf Gimli stürzten, der überrascht durch diesen unerwarteten Angriff, zu Boden fiel, wobei seine Axt aus seiner Hand gerissen wurde. Einer der Orks holte zum entscheidenden Schlag aus und Legolas stürzte blindlings auf das Getümmel zu, holte im Lauf aus und schaffte es noch, den Ork mit einem gewaltigen Hieb niederzustrecken.
Tanhis war ebenfalls zu Gimli geeilt und mit ihrer Hilfe überwältigten sie die anderen Beiden und zogen Gimli auf die Füße.
"Rasch, lauft in den Wald! Ich werde sie ablenken um euch Zeit zu verschaffen!"
Legolas schubste Tanhis auf die Bäume zu, die zögerte und ihn entsetze ansah.
"Aber es sind zu viele! Das schaffst du niemals! Sie..."
"Nun lauf! Ich komme euch nach, sobald ihr Schutz gefunden habt!"
Daraufhin ließ er die Freunde zurück, noch bevor sie ihn aufhalten konnten und warf sich den übrigen Feinden entgegen.

Gimli löste sich als erster aus seiner Starre, packte Tanhis’ Hand und zog sie mit sich in das Unterholz.
"Aber was tust du denn, Gimli! Wir müssen ihm helfen!" Tanhis stemmte sich mit aller Gewalt gegen den Waldboden, doch der Zwerg hatte eine unerwartete Kraft und ihre Bemühungen waren sinnlos.
"Er weiß was er tut! Und jetzt ist es sowieso zu spät!", schnaubte Gimli.
Er rannte ein ganzes Stück in den Wald hinein und blieb erst stehen, als sie sich von einer Gruppe dicht stehender Bäume geschützt fanden und sie lauschten auf ihre Verfolger, doch es war außergewöhnlich ruhig. Zu ruhig!
Tanhis sah sich nach Verfolgern um, doch es schien ihnen nicht einer der Feinde nachgelaufen zu sein. Während sich ihr Atem nur langsam wieder auf ein normales Maß senkte, überschlugen sich ihre Gedanken, bis sie schließlich entsetzt aufschrie, was Gimli regelrecht herumfahren ließ, die Axt zur Abwehr erhoben, weil er einen der Gegner erwartet hatte.
"Was ist? Wo ist er?", doch Tanhis sah ihn nur wie versteinert an.
"Gimli! Begreifst du denn nicht! Es ist uns keiner gefolgt, weil sie nicht an uns interessiert sind. Sie wollen Legolas!", stieß sie mühsam hervor. "Wir müssen zurück und ihm helfen, schnell!"
Mit diesen Worten packte sie den Zwerg und bahnte sich einen Weg zurück durch das Dickicht.

Legolas bewegte sich schnell über die Lichtung, immer im Zickzack zwischen den angreifenden Horden hindurch und streckte dabei links und rechts einen Grossteil der Angreifer nieder. Doch auch er büßte einige kleinere Schnittwunden ein, denn immer wieder wurde er von beiden Seiten gleichzeitig angegriffen. Plötzlich bekam er einen gewaltigen Schlag in die Seite, der ihn so unerwartet traf, dass er strauchelte und schon warf sich einer der Orks auf ihn, noch bevor er seinen Dolch zur Verteidigung heben konnte. Die Wucht des Aufpralls nahm ihm den Atem und seine Ohren dröhnten und er schüttelte benommen den Kopf. Der Ork hielt ihn mit unglaublich festem Griff umschlungen und drückte immer fester zu, was ihm den Brustkorb schmerzhaft zuschnürte, bis er ein unnatürliches knacken vernahm, seine Rippen nachgaben und ein neuerlicher Schmerz durch seine Seite fuhr. Er versuchte sich aus der Umklammerung zu winden, doch die klauenartigen Hände drohten ihn zu zerquetschen und bohrten sich fest in seine Muskeln.
Legolas sah nur eine einzige Chance, und indem er gegen jeden Instinkt ankämpfte, zwang er sich dazu, seinen Körper zu entspannen und unter dem Griff erschlaffen zu lassen.
Augenblicklich lockerte sich der Griff um ihn und er sah seine Gelegenheit gekommen. Legolas bäumte sich ruckartig auf und schaffte es, den Ork von sich zu stoßen und tötete ihn mit einem Hieb seines Dolches, den er noch immer in der Hand hielt. Er kämpfte sich auf die Beine, umschlang seine Mitte, die sich bei jedem Atemzug qualvoll zusammenzog und wirbelte herum, um sich seinem nächsten Gegner zu stellen.

Noch während er diesen abwehrte, machte ihn ein warnendes Kribbeln in seinem Nacken auf die Bedrohung in seinem Rücken aufmerksam, doch er schaffte es nicht rechtzeitig, sich umzudrehen. Ein stechender Schmerz schoss zwischen seine Schulterblätter und er keuchte entsetzt auf. Gleichzeitig traf ihn der Schwerthieb seines Gegenüber am Arm und hinterließ einen tiefen Schnitt und Legolas fühlte das warme Blut, das ihm daran herunter lief. Ein weiterer Schlag traf ihn und riss ihn von den Beinen, doch ihm fehlte die Kraft, um sich gegen den weiteren Angriff zu verteidigen.
Drei Orks stürzten sich auf ihn, zerrten seine Arme auf den Rücken, wobei er unter Schmerz stöhnte, als ihm die Bestien dabei die Schulter verrenkten und pochend den Schmerz der Stichwunde in seinem Rücken wieder mit doppelter Kraft entfachte.
Er dachte an Gimli und Tanhis und hoffte, dass sie es geschafft hatten, sich in Sicherheit zu bringen, wurde dann an den Armen in die Höhe gezogen und gleich wieder mit aller Gewalt zu Boden geworfen. Er schlug hart auf und die Schmerzen raubten ihm die Sinne, doch erbarmungslos trafen ihn mehrere Fußtritte, bis ihn endlich ein Schleier aus Dunkelheit umwob und er nichts mehr um sich herum wahr nahm.

Tanhis und Gimli sahen gerade noch, wie Legolas zu Boden ging und sein Anblick zerriss Tanhis fast das Herz. Sie sah das Blut, dass seine Tunika und Beinlinge an vielen Stellen rot gefärbt hatte und erkannte selbst aus dieser Entfernung, dass sein Atem in flachen, schwachen Stößen ging. Es scharten sich mindestens dreißig Orks und Männer um ihn und versperrten ihr eine freie Sicht auf ihn.
Ein kurzer Blick auf Gimli reichte aus und sie erkannte, dass er das gleiche dachte wie sie. Zusammen stürmten sie aus der Deckung, wobei Gimli einen fürchterlichen Kampfruf ausstieß.
Einige Männer der Gruppe kamen ihnen entgegen gerannt, ihre Waffen gezogen und erneut brach ein heftiger Kampf aus.


Siebter Abschnitt

Fast stündlich erreichten aus allen Richtungen des Landes die Boten Minas Tirith und brachten Nachricht von den Beobachtungsposten, die den Feind nicht aus den Augen ließen.
Frodo und Sam hatten alle Hände voll zu tun und liefen immer wieder zwischen den Ställen, wo sie die Nachrichten von den Überbringern entgegennahmen, zum Beratungszimmer der Feste, oft von dort aus in die Küche, um Stärkung und Proviant für die müden Reiter zu holen und in die Herberge, wo sie eine Unterkunft richten ließen. In der Herberge herrschte ein ständiges kommen und gehen, aber auch in den Strassen der Stadt waren viele Menschen unterwegs, die allerlei Vorbereitungen trafen, überall saßen Männer auf den Bänken vor den Häusern und schärften ihre Schwerter oder putzten ihre Rüstungen, Frauen nähten Umhänge und Hemden, die Kinder lieferten sich kleine Kämpfe mit ihren Holzschwertern und die Alten saßen am Brunnen auf dem Marktplatz und berichteten über längst vergangene Kriege.

Vor der Stadt war ein nicht minder reges Treiben zu beobachten, denn die Truppen aus Edoras waren bereits zu ihrer Unterstützung auf dem Vormarsch und es wurde ein riesiges Lager errichtet, dessen Zelte schon einen beträchtlichen Teil der Felder einnahm.
Wann immer sich ihnen die Zeit blieb, suchten sich Frodo und Sam einen ruhigen Platz auf der Stadtmauer und schauten gen Norden, in der Hoffnung, endlich ihren Freund Gandalf zu erblicken, der auf Schattenfell mit guten Nachrichten aus Bruchtal kam, doch bis jetzt war weder er, noch ein Bote aus Düsterwald eingetroffen, dabei brauchten sie jede Unterstützung, denn ein großer Angriff war jeden Tag zu erwarten. Bis jetzt hatten die feindlichen Truppen immer nur in kleinen Truppen einige abgelegene Dörfer überfallen und geplündert, doch dabei waren auch einige der Bauern getötet worden, die versucht hatten, ihr Hab und Gut zu verteidigen und so war Aragorn gezwungen gewesen, seine eigenen Truppen auseinander zu ziehen und an mehren Stellungen zu postieren. Er vermutete zwar, dass genau das der beabsichtigte Sinn des Feindes gewesen war, doch ihm blieb keine andere Wahl und die Verstärkung wurde immer dringender benötigt.

An diesem Abend, die Sonne senkte sich gerade über die Felder, die sich um Gondor erstreckten, saßen die Hobbits wieder auf ihrem Platz an der Mauer und zogen dabei genüsslich an ihren Pfeifen. Sie genossen die letzten wärmenden Strahlen, aber auch den schwachen Wind, der ihre erhitzten Gesichter ein wenig kühlte und sie ließen entspannt die Beine über der Mauer baumeln.
"Was Merry und Pippin wohl gerade tun! Ich hoffe, es geht ihnen gut!"
Frodo warf Sam einen Seitenblick zu und kramte dann in seiner Westentasche, um neues Pfeifenkraut herauszuholen und in den Kopf seiner Pfeife zu stopfen.
"Bestimmt hatten sie einen genauso anstrengenden Tag wie wir, aber ich bin sicher, dass sie gerade jetzt vor einem reich gedeckten Tisch sitzen und nicht einen Gedanken an uns verschwenden! Mich interessiert viel mehr, warum wir noch immer nichts von Gandalf und den Elben gehört haben. Die Nachrichten müssten ihn und Legolas doch längst erreicht haben!"
Sein Blick suchte abermals den Horizont nach der Silhouette eines Reiters ab, doch auch diesmal blieben seine Bemühungen erfolglos.
"Sie werden schon kommen, Herr Frodo! Gewiss versammeln sie erst einmal alle Krieger und kommen dann gemeinsam mit ihnen nach Minas Tirith um Streicher zu helfen!"

Frodo sah wieder zu Sam und lächelte ihn an, doch auch die beruhigenden Worte von ihm vermochten seinen Trübsinn nicht vertreiben und Frodo konnte nicht umhin, sich Sorgen über das Ausbleiben der Freunde zu machen. Er kannte Gandalf nun schon so lange und war sich sicher, dass er sich umgehend auf den Weg gemacht hätte, wenn ihn nicht eine dringendere Angelegenheit davon abhielt und die konnte sich Frodo im Augenblick nicht vorstellen. Schlimmer als die drohende Gefahr hier, konnte es ja wohl nichts geben!

*

Sie waren verschwunden! Tanhis konnte es immer noch nicht fassen und suchte abermals die Lichtung und die angrenzenden Baumreihen nach einem Anzeichen ihres Verbleib ab.
Während Gimli und sie sich einen heftigen Kampf mit einigen der Gegner geliefert hatten, bei denen sie etlichen den Tod gebracht hatten, waren die übrigen Truppen schnellstens die Flucht angetreten und hatten Legolas mitgenommen. Dabei hatten sie sich geschickt in mehrere kleine Gruppen aufgeteilt, um eine Vielzahl an Spuren zu hinterlassen, die alle in die verschiedensten Richtungen führten und es unmöglich machten, den richtigen Weg auszumachen.
Tanhis sank auf die Knie, die nicht länger fähig waren, ihr Gewicht noch einen Moment zu tragen und sie vermochte nichts anderes zu fühlen, als die Leere in ihrem Inneren. Auf der Wiese lagen die Leichen ihrer unzähligen Feinde und sie starrte sie regungslos an, bis sie plötzlich eine Hand auf ihrer Schulter fühlte und unter viel Kraftanstrengung den Kopf zu Gimli wandte.
"Komm, Tanhis. Wir müssen weiter, hier können wir nichts mehr erreichen. Wenn wir Legolas helfen wollen, dann müssen wir auf schnellstem Wege nach Lôrien und von dort aus nach Bruchtal. Dort ist Gandalf im Augenblick, er wird wissen, was zu tun ist!"
Sie zeigte nicht die geringste Regung, nicht die kleinste Andeutung , ob sie ihn verstanden hatte und Gimli konnte sich nur zu gut vorstellen, welche Sorgen sie sich um Legolas machte. Ihm ging es keinesfalls besser, doch er hatte immer noch Hoffnung, dass die Orks Legolas am Leben gelassen hatten, denn sonst hätten sie sich wohl kaum solche Mühe gegeben, ihre Spuren zu verwischen, damit sie ihnen nicht folgen konnten.
Aus irgendeinem Grund brauchten sie den Elben, Gimli war nur noch nicht klar warum und gedankenverloren strich er sich immer wieder über seinen zerzausten Bart, um ihn zu glätten, doch ihm fiel nichts ein.

Tanhis’ flüsternde Stimme unterbrach ihn in seinen Überlegungen und er blickte in ihren grünen Augen, die in ihm sofort eine Welle aus Mitgefühl auslösten, als er den Schmerz darin sah.
"Er ist verwundet, Gimli! Ich habe es gesehen und es stand nicht gut um ihn!"
Gimli zog die Brauen zusammen, denn er wusste das sie Recht hatte. Ihre Elbenaugen vermochten selbst auf die große Entfernung, die zwischen ihnen gelegen hatte, jede Kleinigkeit zu erkennen und diese Aussage verstärkte in ihm nur das Verlangen, endlich etwas zu tun und sich in Bewegung zu setzen.
"Dann komm! Lass uns keine weitere Zeit mehr mit herumsitzen verschwenden und endlich aufbrechen. Ähh..., könntest du vielleicht die Güte haben und die Pferde herrufen? Ich nehme an, dass du das wie die übrigen Elben zu tun vermagst?!"
Er zog sie sanft hoch, als sie bestätigend nickte und es entlockte ihr ein mattes Lächeln, als er ihr verlegen ein zerknittertes Tuch reichte, damit sie sich die Tränen und den Schmutz vom Gesicht wischen konnte.
"Da! Du willst dem Herrn Elrond und Gandalf doch nicht so unter die Augen treten!", brummte er.

*

Legolas nahm die Geschehnisse um sich herum nur in Bruchstücken war, denn immer wieder verlor er das Bewusstsein und wenn er zu sich kam, bereiteten ihm die Wunden solche Schmerzen, dass er nicht einmal die Kraft fand, den Kopf zu heben, um seine Umgebung zu erkennen.
Grob hatte ihn einer der kräftigen Männer geschultert und bei jedem seiner Laufschritte wurde Legolas durchgeschüttelt und immer wieder stieß die Schulter seines Trägers gegen seine gebrochenen Rippen. Schmutz spritzte ihm ins Gesicht und der Geschmack seines Blutes verursachte ihm Übelkeit und zeigte ihm deutlich, dass die Verletzungen, die er im Kampf erlitten hatte, schwer waren.
Nach einer Zeitspanne, die er in keiner Weise einschätzen konnte, verlangsamte der Mann das Tempo und Legolas merkte, dass sich seine Umgebung merklich veränderte. Die Geräusche des Waldes verstummten und die Schritte der Männer knirschten unter sandigem Boden und hallten in einem steinernen Gewölbe wider, doch Legolas fand in seiner Erinnerung keinen Ort, der ihm verraten hätte, wo sie sich gerade befanden. Es wurde merklich kühler und das Licht nahm immer weiter ab, bis Legolas nur noch das flackernde Feuer von Fackeln wahrnahm und ihm zeigte, dass sie sich wohl in einer Höhle oder einem Tunnel befinden mussten.
Er unternahm eine verzweifelte Anstrengung, sein Gewicht etwas zu verlagern, um den unerträglichen Druck auf seinen Brustkorb zu vermindern, doch als der Mann merkte, dass sich Legolas regte, verpasste er ihm einen Faustschlag gegen die Rippen, der Legolas die Luft raubte und die Bewusstlosigkeit erlöste ihn von den unsagbar starken Schmerzen.

Als er wieder zu sich kam, roch er eine zunehmend frische Brise in der Luft, die den Gestank der Truppe von Orks überwog, und ihm sagte, dass der enge Tunnel bald in eine größeren Raum oder eine Höhle mündete, doch da er noch immer mit dem Kopf nach unten über der Schulter des Mannes hing, konnte er nichts anderes sehen, als dessen schweren Stiefel. Überall um ihn herum waren Orks, die sich gegenseitig schubsten und drängelten und dabei oftmals gegen ihn stießen und ihn mit ihren stinkenden, schmutzigen Pranken den ein oder anderen Schlag verpassten, wann immer sich ihnen die Gelegenheit dazu bot.
Ein gedämpftes Stöhnen entfuhr ihm und er schloss die Augen, um sich Tanhis Bild vor Augen zu rufen und sich somit von seinen Schmerzen abzulenken, doch es verursachte ihm nur eine schier übermächtige Furcht, dass sie vielleicht verletzt worden sein könnte. Er hatte verschwommen gesehen, wie sie und Gimli auf die Lichtung zurückgekehrt waren, bevor er für kurze Zeit das Bewusstsein verloren hatte, und dann gedämpft den Kampflärm vernommen, der ihm gezeigt hatte, dass die Freunde versucht hatten, ihm zu Hilfe zu eilen.
Angst stieg in Legolas auf, eisig und schnell, und verdrängte jeden einzelnen Gedanken, außer den einen – hatten die Beiden den Kampf gegen diese Übermacht überlebt?
Ihm wurde regelrecht eng ums Herz bei diesen Gedanken und seine Kehle zog sich so fest zu, dass er kaum noch atmen konnte.

Plötzlich kam die Gruppe zum Stehen und Legolas wurde unsanft auf den Boden geworfen und er landete dicht an der Felswand. Immer noch waren seine Arme auf dem Rücken gefesselt und er rollte sich ein Stück auf die Seite, um seine Umgebung besser sehen zu können. Die Höhle war ziemlich klein und öffnete sich in der Mitte des Bodens zu einer tückischen, steilen Schlucht die senkrecht in eine unendliche Tiefe abfiel und erneut spürte Legolas die kühle Brise, die von ihrem Grund aufstieg und sich einen Weg durch den ekelerregenden Gestank der Orks und Männer bahnte. Er versuchte die frische Luft tief in seine Lungen zu ziehen, doch es schien ihm unmöglich, dies ohne Schmerzen zu tun, was ihn zu der Vermutung führte, dass durch die Stichwunde oder eine seiner gebrochenen Rippen seine Lunge verletzt worden war.
Er rollte sich noch ein Stück weiter herum und ließ seinen Blick über die dicht gedrängte Menge seiner Gegner schweifen und endlich kam ihm die Erkenntnis, wer die Männer in der Truppe waren. Variags und Haradrim! Schlagartig tauchten ihm die Bilder einiger Schlachten aus dem Ringkrieg auf, in denen er gegen sie gekämpft hatte und er dachte an die grausame Härte und ihre Listigkeit, mit denen sie gekämpft hatten. Sie bedeuteten eine ganz andere Sorge als diese einfältigen Orks und es musste weit mehr hinter ihrem Angriff stecken, als Legolas bis jetzt vermutet hatte. Irgend etwas hatten sie vor, wozu sie ihn benötigten, denn sonst hätten sie wohl kaum sein Leben verschont und ihn durch den halben Wald geschleppt, doch welche Pläne mochten das sein?

Legolas wurde in seinen Gedanken unterbrochen, als ein breitschultriger Haradrim auf ihn zu kam, seinen Oberkörper in die Höhe zog und ihm ein Seil viel zu feste um den Brustkorb schlang. Das Legolas dabei ein gequältes aufstöhnen nicht unterdrücken konnte, ließ ihn nur belustigt auflachen und der Elb begegnete seinem hämischen Blick und funkelte ihn schwach aber zornig an, wobei er einen elbischen Fluch murmelte, was ihm umgehend einen kräftigen Schlag ins Gesicht einbrachte.
"Halts Maul ! Sonst vergesse ich meine Anweisungen und lasse dich in den Abgrund stürzen!", zischte der Krieger ihm zu und zog Legolas auf die Füße und stieß ihn in Richtung der Schlucht.
Nun hing sein Leben nur noch an dem dünnen Seil, dass der Mann in den Händen hielt.


Achter Abschnitt

Gandalf und Elrond hatten die Nachricht von Aragorn mit Entsetzen und Bestürzung entgegen genommen und sich umgehend auf ihre nächsten Schritte geeinigt. Während Elrond seine Krieger für einen Aufbruch rüstete und versammelte, hatte sich Gandalf auf Schattenfell nach Lôrien begeben, um dort weitere Elbenkrieger zu versammeln. Schattenfell hatte ein weiteres Mal bewiesen, zu welcher Geschwindigkeit er fähig war und hatte ihn in weniger als zwei Tagen sicher nach Lôrien getragen und nun saß Gandalf ungeduldig auf einer Bank unter einem der großen Mallornbäume und zog an seiner Pfeife, wobei seine Gedanken immer wieder um die Frage kreisten, wie sie einem Angriff am Besten begegnen sollten.
Ein sanfter Wind brachte die Äste und Blätter zum Rauschen und umspielte die Rinde des Baumes, wirbelte kleinere Blätter und Zweige zu den Füßen des Zauberers hoch und brachte eine angenehme Frische mit sich. Doch er nahm nichts um sich herum wirklich wahr, selbst, dass die Pfeife nicht einmal mehr schwach glimmte und schon längst erloschen war.

Haradrim, fluchte er unterdrückt. Dies waren wahrlich schlechte Nachrichten und dass sie sich mit den Orks und Variags verbündet hatten, zeugte von noch größeren katastrophalen Ausmaßen! Zusammen stellten sie eine gefährliche Bedrohung dar, die zu allem imstande war und nichts schien Gandalf tun zu können, was Aragorn und Gondor vor einem Krieg gegen diese wilden Horden bewahren konnte, der gewiss eine Vielzahl an Leben fordern würde.
Diese Erkenntnis entlockte ihm einen Seufzer und sein Blick schweifte über die ihn umgebenden Wälder, die von einem trügerischen Frieden zeugten. Die dicken Stämme schlossen sich schützend um dieses Reich und das Rauschen der Bäume klang wie eine schöne Melodie, die hier und da durch den Gesang eines Elben untermalt wurde. Der Schein der Sonne brach sich in den Zweigen und schickte ihre Strahlen durch sie hindurch und erweckte noch mehr den Eindruck einer fantastischen, unwirklichen Welt, die in diesem Glanz funkelte und glänzte.

Die eifrigen Elben, die sich jedoch auf der Lichtung auf einen Aufbruch vorbereiteten, zerstörten die Illusion von Frieden und überall blinkte das Metall der Schwerter und Rüstungen in der Sonne.
Eine kleine Gruppe Elben, die durch das Unterholz auf die Lichtung zustrebten, fesselte Gandalfs Aufmerksamkeit plötzlich und er kniff die Augen zusammen, um gegen das Licht der Sonne besser sehen zu können und im nächsten Moment erkannte er die kleine Gestalt, die sich der Gruppe angeschlossen hatte – Gimli!
Die Augen des Zauberers suchten Legolas unter den Elben, doch er konnte ihn nicht unter ihnen ausmachen und sofort stand er auf und eilte dem Zwerg entgegen.
Schon von weitem konnte er die Kampfspuren an ihm entdecken, Schmutz- und Blutspritzer bedeckten seine Kleidung und unzählige Schrammen zeigten sich in seinem Gesicht und Haare und Bart standen struppig und wirr von seinem Kopf ab.
Eine zierliche Elbin blieb dicht an seiner Seite und sie wies die gleichen Spuren wie Gimli auf, nur standen auch deutlich Sorge und Verzweiflung in ihrem hübschen Gesicht. Als sie Gandalf erblickte, sah sie fragend zu Gimli, der bestätigend nickte und ihre Augen leuchteten voller Hoffnung auf.

Gandalf beschleunigte seinen Schritt und eilte ihnen, von einem unguten Gefühl erfasst, schnellstens entgegen.
"Gimli! Was ist geschehen und wo ist Legolas?", fragte er und fiel vor dem Freund auf die Knie, um ihm in die Augen sehen zu können, die ihm umgehend zeigten, dass etwas furchtbares geschehen war!
"Auf dem Weg nach Minas Tirith wurden wir von einer riesigen Truppe Orks und Männern angegriffen, die Legolas gefangen genommen haben. Wir haben alles versucht, um ihn zu befreien, doch gegen eine solche Überzahl konnten selbst wir nichts ausrichten.", er wies mit einer Kopfbewegung auf Tanhis und Gandalf zog überrascht die Augenbrauen hoch.
Gimli berichtete ihm ausführlich von dem Geschehen auf der Lichtung, dem Kampf und dem Zustand von Legolas, als sie ihn das letzte Mal gesehen hatten.
Seine Ausführungen machten deutlich, welchen Platz Tanhis an ihrer Seite eingenommen hatte und Gandalf musterte sie daraufhin mit neuem Interesse und nickte wissend, während Gimli weiter fort fuhr, von dem Streit zwischen Legolas und seinem Vater zu berichten, ihrem Aufbruch und dem Ziel ihrer Reise. Schnell stellte sich heraus, dass sie nichts von der drohenden Gefahr gewusst hatten, die sich gegen Gondor richtete, als sie aufbrachen; sie hatten den Boten aus Minas Tirith sicher verpasst, doch diese Nachrichten, die Gandalf ihnen nun mitteilte, riefen nur noch größere Sorgen in ihnen hervor.

Nachdem sie die nötigsten Dinge berichtet hatten, trat betretenes Schweigen ein, dass Gandalf schließlich mit sorgenvoller Stimme brach.
"Wir müssen Aragorn davon in Kenntnis setzen und Thranduil ebenfalls. Egal was zwischen ihm und Legolas vorgefallen ist, so ist es immer noch sein Sohn, der sich in der Gewalt des Feindes befindet."
Gimli schnaubte verächtlich und warf Tanhis einen vielsagenden Blick zu und als er sich wieder an Gandalf wandte, funkelten seine Augen wuterfüllt.
"Es hat bis jetzt nicht interessiert, wie es Legolas geht, warum sollte er jetzt damit anfangen? Er weiß doch noch nicht einmal, was er da für einen wundervollen Sohn hat! Ich hätte nicht übel Lust, ihm den Kopf auf den Schultern zurecht zu setzen!"
Gandalf versuchte ein Lächeln und legte Gimli die Hand auf die Schulter.
"Zügle deinen Zorn, werter Gimli! Spare dir den lieber für den Feind auf. Und nun lasst uns gemeinsam überlegen, was zu tun ist."

Tanhis vermochte den Überlegungen der Freunde nicht zuzuhören, denn ihre Gedanken kreisten unaufhörlich um Legolas und der Schmerz in ihrem Inneren drohte sie zu zerreißen, denn immer wenn sein Bild vor ihrem geistigen Auge erschien, wurden diese noch stärker und unerträglich und sie kämpfte gegen die aufsteigende Panik an.
Mehr als alles andere wünschte sie sich, bei ihm zu sein, ihn in ihren Armen zu halten und seinen Herzschlag zu fühlen, während sie sich an ihn schmiegte, doch sie hatte ihn verloren und war nicht in der Lage gewesen, ihn wiederzufinden.
Immer wieder sah sie seinen leblosen Körper vor sich, die unzähligen, kleineren Verletzungen, aber auch das viele Blut, dass den Rücken seiner Tunika rot getränkt hatte und den fast nicht zu erkennenden, flachen Atem, der seinen Brustkorb nur schwach hob und senkte.
Mit ihrer ganzen Hoffnung klammerte sie sich an Gimlis Aussage, dass die Orks ihn sicher am Leben ließen, um ihn zu ihren Zwecken verwenden, doch sie quälte die Vorstellung, dass er jetzt wehrlos und verletzt in den Händen dieser erbarmungslosen Krieger war, die ihn sicher nicht schonen würden. Sie mussten ihn so schnell wie nur möglich finden und befreien, dass alleine war seine einzige Chance.

*

Thranduil überflog nun schon zum wiederholten Mal die unleserlichen Zeilen auf dem schmutzigen Schriftstück, so als wollte er nicht wahr haben, was dort geschrieben stand und seine Hand ballte sich schließlich zusammen und zerdrückte knisternd das Papier. Mit einer herrischen Handbewegung wies er den Elben an, der ihm das Schriftstück überbracht hatte, sich zu entfernen und er unterdrückte die aufsteigende Wut, die erneut in seinem Inneren aufkeimte.
Diese Wut wurde von vielerlei Nachrichten und Geschehnissen hervorgerufen und wuchs ins schier unermessliche an, denn all diese Gründe für die Ereignisse in den letzten Tagen und Wochen machte er an einer Person fest. Legolas!

Seid er in die Kolonie zurück gekommen war, hatte sich das Schicksal seines Volkes zum Schlechten gewendet und sein Sohn hatte zudem alles daran gesetzt, sich ihm zu widersetzen, was seine Autorität selbst vor dem Rat gefährdet hatte.
Nachdem er ihn dann in seine Grenzen verwiesen hatte, fand er rasch einen neuen Weg, um Schande über sich und seinen Vater zu bringen, indem Legolas sich nicht nur mit diesem ungehobeltem Zwerg herumtrieb, sondern sich auch noch mit diesem einfachen Elbenmädchen eingelassen hatte. Dies bedeutete eine ganz eindeutige Herausforderung an ihn, seinen Vater, denn Legolas wusste nur zu gut, was für Pläne er noch mit ihm hatte! Als ob das dann noch nicht genug Schande gewesen war, hatte er sich ohne ein Wort mit ihr und seinem Freund einfach vor vier Tagen davon gemacht, ohne um Erlaubnis zu bitten

Am Nachmittag des gleichen Tages war die Nachricht aus Gondor eingetroffen, dass sich feindliche Heere auf einen Angriff vorbereiteten und ihre Unterstützung dringend erforderlich war - und nun dies. Der Feind hatte Legolas in seine Gewalt gebracht und verlangte die Verweigerung der Unterstützung und Unterwerfung seines Volks im Gegenzug zu seinem Leben.
Gewiss hatte diese Elbin die Sinne seines Sohnes derart vernebelt, dass er die drohende Gefahr nicht einmal wahr genommen hatte und blindlings in diese Falle gelaufen war.

Der Junge zog das Unheil aber auch regelrecht magisch an! Seid er damals im Ringkrieg den Träger der Bürde begleitet hatte, war er immer wieder in ausweglose, gefährliche Situationen geraten, die ihn mehr als einmal das Leben hätten kosten können! Das war auch das, was Thranduil jetzt am meisten fürchtete, auch wenn er es niemals zugegeben hätte, aber trotz aller Differenzen, so liebte er seinen Sohn doch sehr!
Wenn er sich nur nicht immer und zu jeder Gelegenheit gegen ihn aufgelehnt hätte! Legolas fügte sich nicht gerne und hatte schon immer seinen eigenen Kopf besessen, was man an der Tatsache sah, dass er sich selbst gegen ein jahrtausend Jahre altes Zerwürfnis zwischen Elben und Zwergen stellte und diese Freundschaft mit Gimli führte, die schon fast brüderlich war! Die Beiden waren ein stilles Bündnis miteinander eingegangen, dass selbst der Rat nicht verstand!

Nun musste Thranduil den Rat erneut zusammen rufen, um die neuen Umstände in dieser ganzen Sache zu berücksichtigen, doch es stand wohl außer Frage, wie die Entscheidung ausfallen würde. Es galt schließlich einen bevorstehenden Krieg zu gewinnen, der über das Schicksal vieler Leben entscheiden würde – was bedeutete dies im Vergleich zu einem einzelnen?
Thranduil verdrängte die Sorgen und straffte bewusst die Schultern, um wenigstens äußerlich wieder die Stellung und Erscheinung des Königs einzunehmen, auch wenn sein Herz im Augenblick mehr dem eines Vaters glich.

*

Unerträglich zog sich das Seil immer strammer um Legolas’ Brustkorb und versagte ihm nun gänzlich, auch nur das nötigste an Sauerstoff in seine Lungen zu ziehen, und da er außerdem seine Hände nicht benutzen konnte, konnte er den Schwung des hin und her schwingenden Seiles nicht abfangen und prallte immer wieder gegen die kantigen Felsen und Vorsprünge. Der Grund der Schlucht lag noch immer in völliger Dunkelheit, ein Zeichen dafür, dass er diese Qualen noch länger ertragen musste, wenn er nicht wieder das Bewusstsein verlieren würde.
Stück für Stück gab das Seil mit einem heftigen Ruck nach und brachte ihn dem Ziel um einige Meter näher und endlich sah er verschwommen leuchtende Punkte, flackernde Fackeln in den Händen der Orks und Männer, die bereits abgestiegen waren.
Nur ein kurzes Stück über dem erlösenden Boden, gab das Seil jedoch plötzlich nach und Legolas stürzte gut drei Meter in die Tiefe, schlug mit einem dumpfen Knall auf den felsigen Grund und die Welle des Schmerz riss ihn mit sich in die erlösende Dunkelheit.

Aus weiter Ferne drangen Stimmen und Gelächter an sein Ohr und während er langsam aus der Besinnungslosigkeit erwachte, kehrten die Schmerzen in jeden Teil seines Körpers zurück. In hastigen, kurzen Stößen ging sein rasselnder Atem und vor seinen Augen tanzten Lichtblitze, die in ihm Übelkeit auslösten und er hob langsam die schweren Lider, um einen Punkt zu finden, auf den er seine Aufmerksamkeit richten konnte.
Es erwies sich als unmöglichen Versuch, die Augen länger als wenige Sekunden geöffnet zu halten, sein Kopf dröhnte und hämmerte und seine trockene Kehle brannte. Plötzlich wurde er in die Höhe gezerrt und ein Schmerzschrei entfuhr ihm, worauf sich der Griff um seinen Arm wieder lockerte und Legolas’ zurück auf die Erde sank.
"Er lebt noch! Dein Glück! Warum hast du ihn auch nicht halten können? Rinyaviê hätte uns gleich selber die Kehle aufgeschlitzt, wenn der Elb das nicht überlebt hätte, du Dummkopf!", knurrte eine dunkle, rauchige Stimme. "Holt etwas Wasser und flößt es ihm ein und dann machen wir uns auf den Weg. Ich will ihn abgeliefert haben und außer Reichweite sein, bevor er sein Leben aushaucht."

Kurze Zeit später fühlte Legolas ein raues Gefäß, dass ihm an die Lippen gehalten wurde und schmeckte das kühle Wasser in seinem Mund, dass auch an den Seiten seines Gesichts entlang lief und er hatte Mühe, sich nicht zu verschlucken. Danach vernahm er sich entfernende Schritte und er verlor, von Kälte geschüttelt, wieder das Bewusstsein.


Neunter Abschnitt

Frodo und Sam hatten sich zum Schutz vor der Mittagshitze in die Obstgärten der Feste zurückgezogen, um dort im Schatten der Bäume ihre Mahlzeit zu sich zu nehmen.
Vor ihnen erstreckten sich lange Reihen mit Apfelbäumen, die jetzt in voller Blüte standen und das summen und schwirren unzähliger Bienen und Hummeln kreiste über ihren Köpfen, während sie genüsslich das noch warme Brot kauten, dass sie sich aus der Küche geholt hatten. Der Duft alleine hatte genügt, um ihnen das Wasser im Mund zusammen laufen zu lassen und nun stillten sie das deutliche Knurren ihrer Mägen und genossen den Frieden, den sie in dieser Zufluchtsstätte empfanden. Sam lehnte gegen den Baumstamm, den Kopf auf seinen Arm gestützt und blickte zu Frodo auf, der sich die Mühe gemacht hatte, auf einen der starken Äste zu klettern. Dort saß er nun, umgeben von unzähligen Blättern und weißen Blüten, fühlte den sachten Wind, der die Zweige sanft hin und her wiegte und schaute immer wieder hoffnungsvoll nach Norden und hatte fast alles um sich herum vergessen.

"Siehst du etwas, Herr Frodo?", erkundigte sich Sam. "Ich versteh das nicht! Legolas oder Gandalf müssten doch längst hier sein! Es passt gar nicht zu ihnen, dass sie sich nicht einmal melden!"
Frodo sah zu Sam herunter und nickte zustimmend. Ihm bereitete das Ausbleiben der Freunde schon seid mehreren Tagen ein flaues Gefühl im Bauch und immer wieder ertappte er sich dabei, wie er gedankenverloren aus dem Fenster starrte.
"Irgend eine Erklärung wird es dafür schon geben, Sam! Und bis wir das erfahren, müssen wir uns eben in Geduld üben.", er seufzte sorgenvoll und kletterte dann zu Sam herunter und setzte sich neben ihn.

Sie stellten gemeinsam die verschiedensten Überlegungen an, die das Ausbleiben der Freunde jedoch nicht zu erklären vermochten, als plötzlich der schrille Schrei eines Falken die Luft zerriss und die beiden erschrocken hochfuhren. Das Tier kreiste in beträchtlicher Höhe über der weißen Stadt und war gegen das Licht der prallen Sonne nur schwer auszumachen, sodass Frodo und Sam sich schützend die Hände über die Augen hielten, um überhaupt etwas sehen zu können. Wieder erklang der fordernde Ruf des Raubvogel, bevor er die weit gespannten Flügel anlegte und sich aus der Höhe herabfallen ließ, geradewegs auf den Obstgarten nieder. Im letzten Moment öffnete er die Schwingen wieder und landete sacht in der Nähe der Hobbits auf einem ausladenden Ast, wobei er auffordernd krächzte und mit den Flügeln schlug.
Frodo wechselte einen verwunderten Blick mit Sam, zuckte die Schultern und trat dann vorsichtig auf das schöne Tier zu, dass sie nicht aus den Augen zu lassen schien. Als Frodo bei dem Falken angekommen war, murmelte er beruhigende Worte und strich ihm langsam über das seidig glänzende Gefieder und wie selbstverständlich ließ der Adler es zu.
Sam beobachtete alles recht misstrauisch aus einiger Entfernung, doch als er merkte, dass das Tier sich nicht plötzlich auf den Freund stürzte, kam er zögerlich näher.
Frodo war völlig hingerissen von dem schönen Vogel und musterte ihn eingehend, betrachtete fasziniert die Färbung der Federn und die klugen, scharfen Augen, den gebogenen Schnabel und den fächerförmigen Schwanz. Als er die scharfen Krallen erfasste, wurde seine Aufmerksamkeit sofort auf eine kleine, glänzende Kapsel gezogen, die an dem Bein des Falken befestigt war und mit flinken Händen löste er sie.
Augenblicklich wurde er von Aufregung ergriffen, als er das Symbol von Lôrien darauf erblickte und er rief Sam näher zu sich.
"Sam! Das ist eine Nachricht aus Lôrien! Schnell, wir müssen sie zu Aragorn bringen!"
Noch bevor Sam reagieren konnte, war Frodo auch schon los gelaufen.

Frodo konnte nur mit Mühe seine Aufregung und Neugier im Zaum halten. Endlich gab es Nachricht von ihren Freunden und das ungewisse Warten hatte ein Ende. Doch was erwarteten sie für Neuigkeiten? Waren die Elben schon zu ihrer Unterstützung unterwegs? Brachten sie auch Krieger aus Düsterwald mit sich, oder gar Gandalf, Legolas und Gimli?
Eilig hastete Frodo weiter, ohne den Seitenstichen Beachtung zu schenken, die der ungewohnte schnelle Lauf so kurz nach der Mahlzeit hervorrief und nahm an der Treppe immer zwei Stufen auf einmal.
Hinter ihm hörte er Sam schnaufen, doch er nahm sich nicht die Zeit, sich nach dem Freund umzudrehen oder gar auf ihn zu warten, sondern strebte weiter, um so schnell wie nur möglich endlich das Beratungszimmer von Aragorn zu erreichen. Er rannte den Gang entlang und stieß fast einen Bediensteten um, der ein Tablett mit allerlei Dingen trug und nur mit Mühe verhindern konnte, dass sie scheppernd zu Boden fielen.
Sam murmelte dem verdutzt guckenden Mann im vorbeilaufen eine Entschuldigung zu und versuchte mit Frodo schritt zu halten, der nun ohne anzuklopfen die Türe zu Aragorns Zimmer aufriss.
Mit wild klopfendem Herzen blieb Frodo stehen, mühsam nach Atem ringend und er wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Aragorn hatte überrascht den Kopf gehoben und das Gespräch mit einem seiner Heermeister unterbrochen und zog verwundert die Brauen hoch, als er Frodo und Sam erblickte, die schnaubend, zu keinem Wort fähig, im Türrahmen standen.
"Was ist denn in euch gefahren? Ihr seht aus, als habe euch einer der Ringgeister verfolgt!" und ein Lächeln flog über seine ernste Mine.
"Das.... nicht! Aber, wir haben.... Nachrichten.... aus Lôrien!", stieß Frodo immer noch nach Luft ringend hervor und sofort wandelte sich Aragorns amüsierter Blick in Interesse.
Frodo reichte ihm die Kapsel und rasch erbrach Aragorn das Siegel und zog ein zusammengerolltes Schriftstück aus deren Inneren, las hastig die Zeilen und hielt dann regungslos inne.

Frodo versuchte im Gesicht des Freundes einen Anhaltspunkt auf den Inhalt der Nachricht zu finden, doch Aragorn zeigte nicht die kleinste Regung, bis Sam es nicht mehr aushalten konnte.
"Was ist? Wann kommt ihre Unterstützung, Streicher?", verlangte er zu erfahren.
"Die Armee hat sich gestern auf den Weg gemacht und dürfte in spätestens vier Tagen hier eintreffen.", entgegnete Aragorn mit tonloser Stimme und richtete dann seinen Blick auf die beiden Hobbits, die ihn nicht aus den Augen ließen.
"Die Nachricht ist von Gandalf, doch sie enthält nicht nur gute Neuigkeiten..."
Aragorn zögerte. Wie sollte er Frodo und Sam nur sagen, dass Legolas von den Haradrim gefangen genommen worden war und zudem auch noch verletzt war? Er war selber bis ins Tiefste bestürzt über diese Nachricht und konnte es nicht glauben.
Ein eisiger Schauer überlief ihn bei der Vorstellung, wie viele der Feinde von Nöten gewesen waren, um den flinken, kampferfahrenen Elben zu überwältigen und dass sie dabei mit Sicherheit nicht gerade sanft mit ihm umgegangen waren. Wie schlimm sie Legolas dabei zugerichtet hatten, wollte er sich gar nicht erst vorstellen, oder wie sie ihn trotz der Verwundungen behandeln würden. Elben verfügten zwar über die Fähigkeit, sich rasch von Verletzungen zu erholen, aber dazu benötigten sie auch Ruhe und etwas Zeit, zwei Dinge, die Legolas wohl kaum von den Haradrim erwarten konnte. Aragorn hatte zu viele Erfahrungen mit diesem Volk gemacht, die ihm keinerlei Hoffnung auf Rücksicht oder Gnade ließen.

Am Meisten schockierte ihn jedoch Gandalfs Nachricht, wie Thranduil auf die Botschaft und Forderungen von Legolas’ Gefangenschaft reagiert hatte. Er setzte ganz klar das Leben seines Sohnes aufs Spiel und rüstete sich gegen den Feind, ohne dabei auch nur den Versuch zu unternehmen, ihm zu Hilfe zu kommen!
Was war nur zwischen ihm und Legolas vorgefallen, dass ihm ein solcher Schritt erst gar nicht in den Sinn kam?
Gandalf und Gimli konnten es ebenfalls nicht fassen und teilten Aragorn mit, dass sie sich zusammen mit einer Elbin auf die Suche nach Anhaltspunkten machen wollten, die ihnen einen Hinweis darauf geben könnten, was mit Legolas geschehen war!

"Was ist, Aragorn? Was schreiben die Elben denn? Nun rede schon!", unterbrach Frodo seine Gedanken.
Mit einem Kopfnicken wies Aragorn dem Heermeister an, den Raum zu verlassen, was dieser auch umgehend tat und Nachdem sich die Türe geschlossen hatte, ließ Aragorn sich in seinen Lehnstuhl zurücksinken und rieb sich über die Augen um sich zu sammeln. Als er die Hand wieder sinken ließ, begegnete er den Sorgenvollen Blicken der beiden Hobbits, die immer noch rote Gesichter von ihrem anstrengendem Lauf hatten, und bemühte sich, die richtigen Worte zu finden.
"Es gibt wahrlich keine guten Neuigkeiten aus Lôrien und Düsterwald, meine Freunde! Nach meiner Nachricht hat sich Gandalf nach Lôrien aufgemacht, um dort weitere Unterstützung anzufordern, während sich Elronds Truppen Marschbereit machen und aus Düsterwald kommt ebenfalls die Zusage der Unterstützung!"
"Aber das sind doch gute Nachrichten, Streicher! Warum sprichst du von schlechten, wenn wir doch endlich die Hilfe bekommen, die wir brauchen!"
Aragorn seufzte.
"Lass mich ausreden, Sam. Das war noch nicht alles! Gandalf traf in Lôrien auf Gimli und musste leider erfahren, dass die Haradrim, zusammen mit einigen Orks, ihm, einer Elbin und Legolas aufgelauert haben. Die Elbin und Gimli konnten fliehen, aber...,", er machte eine Pause."...Legolas haben sie überwältigt, als er ihnen Zeit verschaffen wollte."

Frodo und Sam wechselten einen zutiefst bestürzten Blick und beinahe fürchteten sie sich davor, was Aragorn ihnen noch zu sagen hatte. In seiner Stimme hatte so ein Unterton mitgeschwungen, der in Frodo Unbehagen hervorrief und er suchte Halt an der Stuhllehne von Aragorn.
"Wurde er... verletzt?", fragte Sam mit zitternder Stimme.
"Ja, Sam. Und nach allem, was ich diesem Brief hier entnehme, sehr schwer. Die Haradrim sind wohl nicht sehr leicht mit ihm fertig geworden und haben ihn übel zugerichtet, bevor sie ihn dann mitgenommen haben."
"Sie haben ihn gefangen genommen?", stieß Frodo entsetzt aus, und er glaubte, der Raum um ihn würde sich beginnen zu drehen.
"Ja, aber das ist immer noch nicht alles! Der Feind wollte Legolas als Druckmittel dafür einsetzen, dass Thranduil seine Hilfe verweigert und sich unterwirft, aber er hat abgelehnt..."

Die letzten Worte schwebten noch eine Zeit lang im Raum, bevor den Hobbits ihre Tragweite bewusst wurde, doch als sie es verstanden, zeigte sich deutlich ihr Entsetzen und die Sorge auf ihren Gesichtern. Sam reagierte als erster.
"Aber das kann er doch nicht tun! Dann werden sie Legolas nicht am Leben lassen! Was tut Thranduil denn da – Legolas ist doch sein Sohn!"
Aragorn erhob sich und stellte sich neben Frodo, der bleich und niedergeschlagen im Zimmer stand und legte ihm die Hand auf die Schulter.
"Thranduil tut nur das, was er für sein Volk als das Beste erachtet. Es würden viele Elben getötet werden, trotz diesem Angebot der Haradrim und am Ende hätten sie nicht einmal ihre Freiheit."
Frodos Stimme war nicht mehr als ein Flüstern und es schien ihn große Mühe zu kosten, überhaupt einen Ton heraus zu bringen.
"Du wirst das doch nicht zulassen, oder? Wir werden doch etwas unternehmen, nicht war?"

*

Völlig erschöpft und mutlos ließ Tanhis sich auf einen der kleinen Steine in der Nähe ihres Lagers nieder und vergrub ihr Gesicht in den Händen, damit niemand die Tränen sehen konnte, die sie mit aller Gewalt zurück zu drängen versuchte. Sie hatte bei ihrem Aufbruch so gehofft, eine Spur zu finden, die ihnen Aufschluss geben würde, wohin ihre Feinde Legolas gebracht hatten, doch es waren bereits drei Tage vergangen gewesen, bevor sie überhaupt etwas unternommen hatten und nun neigte sich der vierte Tag seinem Ende entgegen – ohne Erfolg.
Anfangs hatte sie es als Erlösung empfunden, endlich nicht mehr zur Untätigkeit verbannt zu sein, doch nachdem sie bis jetzt noch nichts gefunden hatten, machte sich wieder das Gefühl der Leere in ihrem Inneren breit.

Eisig prasselte der Regen auf sie herab, doch selbst das vermochte sie nicht zu fühlen und schon nach kurzer Zeit war sie völlig durchnässt, ihre Haare hingen tropfend auf ihre Schultern und einige Strähnen klebten an ihrem Gesicht, dunkle Flecken hatte sich feucht auf ihrer Kleidung gebildet und sie zitterte vor Kälte.
Erst dir sanfte Stimme von Gandalf riss sie aus ihrer Benommenheit und sie blickte auf, in das gütige Gesicht des Zauberers, der sich zu ihr herunter beugte und ihr wortlos einen Mantel um die Schultern legte.
"Gib die Hoffnung nicht auf, Tanhis. Wir werden ihn finden, oder glaubst du etwa, der Zwerg würde vorher Ruhe geben?"
Ein sanftes Lächeln breitete sich über das Gesicht von Gandalf, doch Tanhis wusste nur zu gut, wie schlecht die Aussichten waren, vor allem, seitdem sie die Nachricht von Thranduil erhalten hatten, dass er sich gegen die Forderungen des Feindes gestellt hatte.
Tanhis konnte es immer noch nicht fassen, dass der König das Leben seines Sohnes so bereitwillig opferte, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, zu verhandeln oder ihn zu finden. Ihre Wut, die in ihrem Inneren aufkeimte, verdrängte bei diesen Gedanken augenblicklich die Leere, doch die Angst blieb und krallte sich mit festem Griff um ihr Herz, sodass es bei jedem Schlag schmerzte. Nie hatte sie es für möglich gehalten, dass sie in so kurzer Zeit jemandem soviel Liebe entgegen bringen könnte, wie sie es bei Legolas tat, doch das bedeutete nun auch die schlimmste Qual für sie und sie würde einfach alles tun, um wenigstens bei ihm zu sein!

Gandalf zog sie bestimmt in die Höhe und führte sie zu ihrem Lager, das geschützt an einer Felswand aufgeschlagen war, deren Vorsprung sie wie ein Dach vor dem Regen schützte und den Wind abhielt. Gimli hatte ein wärmendes Feuer entfacht und darüber Wasser erhitzt, um einen Tee zu kochen, der auch die Kälte aus ihren Knochen vertreiben würde. Als er Tanhis einen Becher davon reichte, sah sie auch in seinem Gesicht die großen Sorgen um den Freund und sie konnte sich nur zu gut vorstellen, wie es in dem Zwerg aussah.
Trotz der anfänglichen Differenzen zwischen ihnen, hatten Legolas und er sich auf ihrem langen Weg nach Mordor angefreundet, was gerade zwischen Elben und Zwergen eine undenkbare Sache gewesen war, aber nun verband sie eine so feste Freundschaft, dass alle Gegensätze nicht mehr existierten. Sie würden füreinander ihr Leben geben, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern!

Als ob Gimli ihre Gedanken erraten hätte, nahm er mitfühlend ihre Hand in seine und sah sie ernst an.
"Dieses Spitzohr ist zäher als du denkst! Er wird es schon schaffen und wenn wir erst einmal wissen wo er steckt, werde ich nicht eher aufgeben, bis wir ihn befreit haben – oder ich vom Feind erschlagen werde! Aber vorher werden diese meine Axt zu spüren bekommen und sie werden am eigenen Leib erfahren, was es heißt, den Zorn eines Zwergen auf sich zu ziehen!"
Tanhis lächelte schwach und drückte dankbar seine Hand, dann nahm sie einen kräftigen Schluck des heißen Getränks und fühlte, wie sich die Wärme langsam in ihrem Körper ausbreitete, unterstützt durch das knisternde Feuer.

Zusammen saßen die drei Wanderer noch beisammen und bereiteten eine kleine Mahlzeit zu, doch keiner hatte eigentlich richtig Appetit und so blieb noch eine beträchtliche Menge übrig, die sie als Proviant in ihren Bündeln verstauten. Sie berieten noch ihre nächsten Schritte für den nächsten Tag, bevor sie sich zu ihren Schlafplätzen begaben, doch Tanhis fand lange keine Ruhe. Immer wieder tauchte Legolas’ Bild hinter ihren geschlossenen Lidern auf und die Angst um sein Leben lastete schwer auf ihr. Das Herumwälzen und mürrische Brummen zeigte ihr, dass es Gimli nicht viel besser erging, doch irgendwann legte sich Stille über das kleine Lager und auch Tanhis glitt in einen unruhigen Schlaf.


Zehnter Abschnitt

Langsam kam Legolas wieder zu sich, begleitet, von stärker werdenden Schmerzen die fast seinen ganzen Körper erfüllten und ein gedämpftes Stöhnen entfuhr ihm. Er ließ die Augen geschlossen und nahm trotzdem das Treiben um sich herum wahr, dass die Haradrim, Variags und Orks verursachten.
Geräusche von stampfenden Schritten, Stimmen, Gelächter, klapperndem Geschirr, klirrenden Schwertern und prasselndem Feuer drangen an sein Ohr und bestätigten seine Vermutung, dass die Truppe rastete. Ein ekelerregender Gestank von verkohltem Fleisch lag in der Luft, begleitet von den Gerüchen der Männer und Orks und Legolas kämpfte gegen die aufsteigende Übelkeit an.

Er lag etwas Abseits auf dem harten, felsigem Steinboden und wurde von Kälte geschüttelt, seine Glieder waren fast taub von den viel zu strammen Fesseln die erbarmungslos seine Arme auf den Rücken gezerrt hielten und ihm das Atmen noch zusätzlich erschwerten. Doch er fühlte sich trotz allem schon etwas besser, was ihn vermuten ließ, dass er eine ganze Weile bewusstlos gewesen war und die Gruppe schon länger rastete, denn die Ruhe hatte seinem Körper Zeit verschafft, sich ein wenig zu erholen. Er wagte es, einen Blick auf das Lager zu werfen, verhielt sich aber ganz ruhig, um nicht die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und versuchte, sich ein genaues Bild der Lage zu machen.

Sie befanden sich in einer weitläufigen, gewölbten Höhle, die mindestens fünfzig Männern und Orks den nötigen Platz bot und von der zwei Tunnel in entgegengesetzter Richtung abführten. Es gab also nur diese beiden Möglichkeiten, den Weg fortzusetzen, zurück oder vorwärts, und Legolas mochte sich nicht vorstellen, was ihn am Ende erwarten würde. Die Truppe schien ein bestimmtes Ziel zu verfolgen, indem er eine wichtige Rolle spielen musste, denn sonst wäre er sicherlich nicht mehr am Leben und sie hätten ihn im Kampf nicht verschont.
Etliche Krieger der Gruppe hatten bereits ihre Mahlzeit beendet und waren bereits wieder dabei, das Lager zu räumen und einen baldigen Aufbruch vorbereiteten, denn sie wiesen die anderen zur Eile an, damit sie weiter marschieren konnten. Das bedeutete auch, dass Legolas sich von den Folgen des Kampfes nicht mehr lange erholen konnte.
Als ihm der Kampf wieder in den Sinn kam, erwachte auch die Sorge um Tanhis und Gimli in seinem Herzen und er sah sie wieder mit gezogenen Waffen auf die Lichtung laufen, bevor sie aus seinem Blickfeld verschwunden waren. Hoffentlich ist ihnen nichts zugestoßen und sie konnten erneut flüchten, flehte er im Stillen und er wünschte sich nichts mehr, als die Beiden in Sicherheit zu wissen.
Tanhis! Allein der Gedanke an sie reichte aus, damit er sich schon wohler fühlte und er versuchte, sich jede Einzelheit ihrer Erscheinung ins Gedächtnis zu rufen, um sich von den Schmerzen abzulenken und neue Kraft und Zuversicht zu gewinnen. Für sie alleine musste er durchhalten, denn er konnte sich lebhaft vorstellen, was sie sich seinetwegen für Sorgen machen würde, so wie er sich um sie sorgte.

Schritte lenkten Legolas’ Aufmerksamkeit wieder auf das Lager und er sah, wie sich ihm der breitschultrige Haradrim wieder näherte, der ihn an dem Seil herunter gelassen hatte. Ein hämisches Grinsen lag auf dessen Gesicht, was Legolas zeigte, dass ihn erneute Qualen erwarten würden und augenblicklich wurde das auch bestätigt.
"Genug ausgeruht, Elb! Es wird Zeit, dass du zu Rinyaviê kommst und versuche keine Tricks! Du hast ja gemerkt, was alleine dein Fluch für Folgen hatte!"
Mit einem Tritt verdeutlichte er seine Worte und lachte amüsiert auf, als Legolas sich zusammenkrümmte und nach Luft rang. Schonungslos zog er ihn dann an den Armen nach oben, schubste und stieß ihn vorwärts, einer Gruppe Orks hinterher, die bereits in dem schmalen Tunnel verschwunden waren.

Legolas konnte sich nur mit Mühe auf den Beinen halten, aber der Haradrim trieb ihn unerbittlich vor sich her und gab ein beträchtliches Tempo vor und immer wieder strauchelte Legolas. Sein Atem ging stoßweise und hastig und immer wieder verschwamm die Umgebung vor seinen Augen und es kostete ihn alle Mühe, nicht wieder das Bewusstsein zu verlieren. Bald fühlte er wieder das Blut seinen Rücken herunter rinnen, denn der Mann drückte ihn immer wieder seinen Schwertknauf gegen die Wunde, um ihn vor sich her zu treiben und daran zu hindern, stehen zu bleiben.
Der Tunnel führte nun stetig Bergan und verlangte von Legolas zusätzliche Kraft durchzuhalten, aber bald bedeutete jeder Schritt eine enorm große Anstrengung und er schleppte sich nur noch langsam vorwärts. Blutverschmiert klebte die Tunika an seinem Rücken, das Luftholen schmerzte und Schwindel erfasste ihn, bis schließlich seine Kräfte versagten und seine Beine nachgaben. Das Letzte, was Legolas wahr nahm, war das Gesicht von Tanhis, dass ihn mit angsterfüllten Augen ansah und er zweifelte das erste Mal daran, dass er sie jemals wieder sehen würde, bevor ihn die Dunkelheit umfing.

*

Aragorn lehnte sich erschöpft und niedergeschlagen gegen den Rahmen des Fensters und schaute in den Hof herunter wo einige Stallburschen dabei waren, die Pferde für den Aufbruch einer kleinen Gruppe Krieger vorzubereiten, die ein kleines abgelegenes Dorf gegen einen Angriff des Feindes unterstützen sollte. Der Stallmeister erteilte den Jungen strenge Befehle, doch sein Blick verriet, dass ihm seine Arbeit, die Burschen auszubilden und ihnen sein Wissen zu vermitteln, viel Freude bereitete. Pflichtbewusst führten die heranwachsenden Männer seine Anweisungen aus und auch ihnen war anzusehen, dass ihnen die Arbeit Spaß bereitete und sie willig waren zu lernen.
Aragorn nahm das alles nur schwach zur Kenntnis, denn seine Augen waren auf ein nicht zu findendes Ziel gerichtet und er war tief in Gedanken versunken, in einen Kampf mit sich selber, hin und her gerissen zwischen seinen Pflichten als König und der Freundschaft zu Legolas. Die Sorge um den Freund machte jeden anderen Gedanken unmöglich, wuchs von Stunde zu Stunde weiter an, in der er nichts unternehmen konnte. Diese Untätigkeit, zu der er verdammt war, quälte ihn und er verfluchte die Tatsache, dass es ihm nicht möglich war, sich einfach auf Brego zu schwingen und dem Elb zu Hilfe zu eilen.

Er wandte den Blick zum Himmel und suchte ihn nach dem Falken ab, der als Bote zwischen ihm und Gandalf diente, damit der Zauberer und Gimli ihm sofort Bescheid geben konnten, wenn sich etwas Neues ergeben hatte, doch er fand das Tier nicht.
Wo mochten sich die beiden Freunde jetzt befinden, sicherlich von nicht weniger Sorge erfüllt, wie er selbst! Doch sie waren dabei, etwas zu tun, während er dazu verdammt war, hier festzusitzen und seinen Truppen Anweisungen zu erteilen, wie sie gegen die unzähligen Angriffe der verbündeten Feinde angehen sollten.
Aragorn fluchte lästerlich und schlug wütend mit der flachen Hand gegen den Fensterrahmen, was ihm jedoch keine Linderung oder Erlösung einbrachte. Eine ruhige Stimme hinter ihm, ließ ihn plötzlich erschrocken zusammenzucken und er fuhr sich mit den Händen durch das Haar und drehte sich langsam zu Arwen um.
"Ich wollte dich nicht erschrecken, Aragorn! Aber es wird Zeit, dass du eine Entscheidung triffst – Legolas’ Leben hängt davon ab!"
"Das ist mir durchaus bewusst!", fuhr er sie barsch an. "Meinst du denn, ich würde nicht alles tun, um ihm zu helfen? Am liebsten würde ich mich selbst sofort aufmachen und ihn suchen!"

Arwen trat neben ihn und legte ihm beschwichtigend die Hand auf die Schulter.
"Ich weiß doch, dass du dir Sorgen machst. Aber die Zeit läuft uns nun einmal davon und Frodo und Sam werden schon ganz ungeduldig. Sie können nicht länger warten, Aragorn."
"Was schlägst du vor?", fragte er schon sehr viel milder.
Arwen lächelte leicht und zog ihren Mann in die Arme.
"Übertrage die verübergehende Entscheidungsgewalt an Êomer! Er wird dich würdig vertreten, bis du Legolas gefunden hast. Ich bin mir sicher, dass die Hobbits nicht zögern werden und dich begleiten werden. Der Stallmeister könnte noch bis zum Nachmittag die Pferde und Ponys für euch bereit haben!"
Zärtlich legte Aragorn seine Hand auf ihre Wange und sie schmiegte sich eng daran und blickte ihm tief in die Augen.
"Das liebe ich so an dir! Du hast ihm doch sicherlich schon längst die Anweisung erteilt, die Tiere zu satteln, oder?"
Ihr Lächeln wurde breiter und sie senkte schuldbewusst die Lider, doch er umfing ihr Kinn und zwang sie, ihn wieder anzusehen.
"Geh und sag den Hobbits Bescheid! Wenn Thranduil schon nicht bereit ist Legolas zu helfen, so muss eben ich alles daran setzen, um ihm zu helfen!"

Arwen drückte ihm einen Kuss auf die Lippen bevor sie sich aus seiner Umarmung löste und zur Türe ging, doch sie hielt noch einmal inne und drehte sich zu Aragorn um.
"Ich wusste, du würdest ihn nicht aufgeben! Finde ihn und bringe ihn sicher zu uns zurück!"
Aragorn nickte stumm und er flehte zu den Valar, dass sie Legolas noch rechtzeitig finden und befreien konnten.


Elfter Abschnitt

Sie hatten nicht einmal das kleinste Geräusch der großen Gruppe von Elbenkriegern vernommen, bis sie plötzlich vor ihnen gestanden hatten! Trotz ihren vielen Waffen und Schilden hatte sie nicht den kleinsten Laut verursacht, eine Fähigkeit, die einzig und alleine den Elben zuteil war. Gandalf, Gimli und Tanhis ließen ihren Blick über die unzähligen Reihen schweifen, die sich auf dem Weg nach Minas Tirith befanden, um von dort aus die Truppen des Königs zu unterstützen.
Bei diesem Gedanken zog sich unwillkürlich Tanhis’ Kehle wieder enger zusammen, denn es bedeutete praktisch Legolas’ Todesurteil, wenn der Feind diese Armee in den Süden marschieren sah! Wie konnte Thranduil nur so eine Entscheidung treffen? War ihm Legolas denn so egal, dass er ihn einfach so opferte?
Gimli schienen die gleichen Gedanken durch den Kopf zu gehen, denn er blickte sehr mürrisch drein und man konnte die unbändige Wut in seinen Augen blitzen sehen.
Gandalf trat hinter sie und legte den Beiden seine Hände auf die Schultern, um ihnen zu bedeuten, die Ruhe zu bewaren, dann trat er vor und richtete sein Wort an den Hauptmann der Gruppe, der mit einer Handbewegung das Heer zum Anhalten gebracht hatte. Gandalf wollte gerade nach den Anweisungen fragen, die sie von Thranduil erhalten hatten, als sich die Gruppe in der Mitte teilte und den Blick auf einen Elben frei gab, dessen Erscheinung alleine schon zeigte, das er zu Recht die Königswürde besaß.
Er trug zwar ein äußerst schlichtes Gewand, doch seine Statur, Haltung und Ausstrahlung reichten völlig aus, um seinen Stand zu verdeutlichen. Seine Ähnlichkeit mit Legolas schmerzte Tanhis regelrecht und sie senkte ergriffen das Haupt, weil sie den Anblick nicht länger ertragen konnte.

Gimli wäre ohne zu zögern mit gezogener Waffe auf den Elben losgegangen, aber Gandalf gelang es gerade noch, ihn an seinem Arm gepackt zurück zu halten.
"Was tust du da, Gandalf? Lass mich los! Ich werde jetzt mal ein ernstes Wörtchen mit diesem herzlosen Kerl reden, der es nicht verdient hat, sich einen Vater zu nennen!"
Thranduil trat unbeeindruckt von diesem Ausbruch näher auf die Freunde zu und nickte Gandalf zur Begrüßung kurz zu, bevor er seinen Blick auf Tanhis richtete, die immer noch hinter Gandalf stand. Sie konnte den bohrenden Blick des Königs förmlich auf sich fühlen, wie er sie bis in ihr Innerstes musterte, fast jeden Winkel ihrer Seele erforschte, sodass es ihr regelrecht Schmerzen bereitete und sie schwankte. Als er endlich von ihr abließ, hatte er all ihre Stärken, Schwächen, Gefühle und Geheimnisse von ihr erfasst und sie empfand es als eine Schändung an ihrer Seele, die ohne ihr Einverständnis durchgeführt worden war.

Wut und Zorn keimte in ihr auf und verdrängte schließlich jeden Respekt Thranduil gegenüber und es war ihr egal, was er von ihr denken mochte. Sie trat von neuer Kraft erfüllt auf ihn zu, hielt seinem herablassenden Blick stand und funkelte ihn wütend an. Thranduil lachte amüsiert auf.
"Ihr seid wahrlich genau so, wie ich es erwartet hatte! Hätte ich das vorher gewusst, hätte ich mir weniger Sorgen darum gemacht, dass mein Sohn es mit euch ernst meinen könnte. Er wird schnell genug selber merken, dass ihr nicht seinem Stand entsprecht und bald die Lust an euch verlieren! Er hat sich sowieso nur auf euch eingelassen, um mich erneut zu erzürnen, doch das hat ihn wieder nur in Schwierigkeiten gebracht! Ich hoffe, er begreift nun was sein Handeln für Folgen haben kann und bekommt noch die Gelegenheit, daraus zu lernen!"

Tanhis konnte nicht glauben, was sie da eben gehört hatte. Thranduil kannte seinen Sohn wirklich kein bisschen und wenn ihnen nicht bald das Schicksal zu Hilfe kam, würde er wohl auch nie die Gelegenheit dazu bekommen, ihn kennen zu lernen! Aber dieser Umstand schien ihn nicht im mindesten zu interessieren! Ihre Gefühle wallten in ihr auf und verursachten ein regelrechtes Chaos in ihr und mehr aus ihrem Herzen heraus, als aus ihrem Verstand, handelte sie blitzschnell. Sie packte Thranduil am Arm, der sich schon von ihr abwenden wollte und umgehend spannten die Krieger hinter ihr, als Reaktion auf ihr unerlaubtes Handeln, ihre Bögen, die zweifellos auf sie gerichtet wurden. Tanhis ließ den König nicht aus den Augen, jeder Muskel in ihrem Inneren war bis auf das äußerste gespannt und sie wusste, dass Thranduil tatsächlich Legolas’ Leben opfern würde, als sein Volk und Düsterwald aufzugeben.
"Was seid ihr nur für ein König, wenn für euch nicht jedes Leben zählt? Ihr seid die Liebe nicht wert, die Legolas euch entgegenbringt und ihr merkt nicht einmal, wie viel er für euch empfindet! Er versucht ständig, euren Ansprüchen gerecht zu werden, aber ihr gebt euch selbst damit nicht zufrieden. Aber ihr müsst euch in Zukunft keine Gedanken mehr darum machen, dass er euch Schande bereitet! Wenn die Valar uns gnädig sind, werden wir ihn befreien und wenn es mein eigenes Leben fordern sollte, denn er ist es wert, dass man für ihn kämpft und er würde das gleiche für mich tun! Aber das ist etwas, was ihr nie verstehen werdet, denn ihr habt nie diese Liebe erfahren, die er bereit ist zu geben!"

Thranduil hielt ihren Blick fest, völlig sorglos und unbekümmert der Tatsache gegenüber, dass das Leben seines Sohnes in Gefahr war und was Tanhis ihm gesagt hatte. Seine Augen waren noch kälter, als der tiefste Winter und bestätigten Tanhis die Gefühlskälte, die in ihm herrschte.
"Du bist schwach, und voller Furcht!", stieß er hervor und schüttelte Tanhis Hand ab, die ihn noch immer gepackt hielt.
"Diese Furcht und Schwäche verleiht aber auch Mut und Kraft, die stärker ist, als alles was ihr jemals kennen lernen werdet! Ihr habt schon verloren, das Wertvollste, was es zu verlieren gibt!"
Sie wandte sich ab und ließ den König einfach stehen und sie konnte den Blick nicht sehen, den er ihr hinterher warf. Er war gefüllt mit Erstaunen, Interesse und Bewunderung für diese Elbin, deren Wesen er eindeutig unterschätzt hatte, aber auch mit Trauer über die Erkenntnis, dass sie wahrscheinlich mit allem was sie gesagt hatte, Recht behalten würde.

*

Die Gruppe der Feinde erreichte am Ende des fünften Tages nach dem Überfall endlich ihr Ziel, eine versteckte Höhle inmitten des Nebel-Gebirges, zu dem sie über einen unterirdischen, verborgenen Gang vom Dol Guldur aus gelangt waren. Es erfüllte sie mit Schadenfreude, dass sie es geschafft hatten, den Elbenprinz vor der Nase seiner Freunde in ihre Gewalt gebracht zu haben und sich immer noch in dem Gebiet der Elben aufhielten, ohne das diese eine Ahnung davon hatten, dass sie ihm so nah waren! Rinyaviê, ihr Anführer würde sich freuen, dass sie seine Befehle so erfolgreich durchgeführt hatten und ihnen gewiss eine besondere Belohnung zuteil werden lassen!

Legolas hatte den Rest des Marsch nicht wirklich wahr genommen, denn die Verletzungen hatten ihm jede Kraft geraubt, verstärkt, durch die weiteren Qualen, die ihm die Männer und Orks während der ganzen Zeit bereitet hatten und ihm keine Gelegenheit gelassen hatten, sich auch nur ein wenig zu erholen. Zusätzlich machte ihm der lange Aufenthalt unter der Erde zu schaffen, der gegen jede seiner natürlichen Bedürfnisse sprach. Er brauchte das Gefühl der Weite um sich herum, den Sonnenschein, die Bäume und die frische Luft. Hier fühlte er zusehendst, wie seine Lebenskräfte schwanden und die Wände schienen immer näher zu rücken, bis sie ihn letztendlich zerquetschen würden.
Die Luft war stickig und von den verschiedensten Gerüchen erfüllt, die ihm zusätzlich noch das Atmen erschwerten und ihm immer wieder das Bewusstsein raubten. Er gab die Hoffnung schon beinahe auf, Tanhis jemals wieder zu sehen, oder gar einen seiner Freunde - sie würden zu spät kommen, wenn sie ihn überhaupt jemals finden würden.

Nachdem er durch die Anstrengungen des Aufstiegs gestürzt war, hatte ihn wieder einer der Haradrim geschultert, damit sie besser voran kamen, was seinen Zustand jedoch nicht gerade gebessert hatte. Jetzt deutete aber alles darauf hin, dass die Strapazen der Wanderung ein Ende hatten, denn die Gruppe löste sich in dem riesigen Gewölbe auf, bis nur noch der Führer der Gruppe den Haradrim begleitete, der ihn trug.
Legolas überkam das ungutes Gefühl, dass ihn auch hier nichts Besseres erwarten würde, er vielleicht aber endlich erfahren würde, warum man ihn überhaupt gefangen genommen hatte und ob Tanhis und Gimli noch am Leben waren. Wenigstens diese Ungewissheit mochte er verlieren, bevor er sich seinem Schicksal fügen würde, denn der Gedanke an die Beiden machte ihn beinahe wahnsinnig. Ihn quälte die Vorstellung, dass sie wegen ihm verwundet oder gar getötet worden waren, als sie versucht hatten, ihm zu helfen.

*

Rinyaviê beobachtete mit Genugtuung, wie sich sein Hauptmann und einer aus seiner Truppe, einen Weg durch das Lager bahnten und dabei den scheinbar bewusstlosen Elben trugen, der regungslos über die Schulter des Kriegers hing.
Selbst von Weitem konnte er sehen, dass die Truppe nicht gerade zimperlich mit ihm umgegangen war, denn seine Kleidung wies überall Blutspuren auf und für einen Augenblick bereute er es, dass er nur gesagt hatte, er sollte noch leben wenn er das Lager erreichte und nicht auch, dass sie ihm dabei kein Haar krümmen durften! Dieser Gedanke kam eindeutig zu spät und er bezweifelte auch ernsthaft, dass es seinen Männern dann gelungen wäre, ihn in ihre Gewalt zu bringen, geschweige denn, ihn hierher zu schaffen. So konnte er nur hoffen, dass das Spitzohr noch einige Zeit durchhielt, bis sie ihn nicht mehr für ihre Zwecke benötigten, denn ein toter Elbenprinz nutzte ihnen nicht das Geringste!

Diese Hoffnung wandelte sich nun in regelrechte Sorge, als die Männer vor ihn traten und den Gefangenen einfach zu Boden fallen ließen, ohne das sich die kleinste Andeutung von Leben in ihm regte. Er fiel auf den Rücken und so konnte Rinyaviê sein Gesicht sehen, was ihn erneut fluchen ließ, denn selbst für einen Elben war er erschreckend blass und seine Gesichtszüge stachen scharf hervor. Kratzer und Schrammen zeichneten ihn überall und nur schwach ging sein flacher Atem.
Zorn und Wut über die Unfähigkeit seiner Männer wallte in ihm auf, der ihn dazu veranlasste, sich von seinem Lager zu erheben und sich zu seiner vollen Größe aufzurichten. Er überragte den Hauptmann um fast einen ganzen Kopf und sein Haar fiel ihm in weichen, braunen Strähnen auf die breiten Schultern, die von seinem roten Umhang bedeckt waren. Sein Anblick reichte aus, um die beiden Männer einen Schritt zurück weichen zu lassen und der finstere Blick aus den dunklen, herrischen Augen veranlasste sie zu einem weiteren. Rinyaviê beugte sich zu dem Elben herunter, der langsam wieder zu sich kam und kaum merklich die Lider hob und einen vergeblichen Versuch unternahm, sich auf die Seite zu rollen, da die momentane Lage ihm offensichtlich Schmerzen bereitete.

Barsch erteilte Rinyaviê die Anweisung, die Fesseln zu lösen, was sein Hauptmann umgehend tat und sich wieder zurückzog, um seinem Herrn Platz zu machen, damit er die Verletzungen begutachten konnte, die ihr Gefangener davongetragen hatte. Bei jeder seiner Berührungen erklang ein gedämpftes Stöhnen und der Elb wand sich gequält hin und her, um seinem Griff zu entgehen. Rinyaviê zerriss grob die ohnehin kaputte Tunika, entblößte einen zerschundenen Leib, dessen Seite unnatürlich gefärbt und verrenkt aussah und von gebrochenen Rippen zeugte, die ihm offensichtlich das Luftholen erschwerten. Die Wunde am Rücken glühte rot und heiß von einer beginnenden Entzündung, doch der Rest der Verletzungen hatte sich bereits geschlossen. Dennoch war der Zustand des Elben alles andere als beruhigend und es benötigte schon eine gehörige Portion Glück und Pflege, um ihn soweit wieder herzustellen, dass er vorerst am Leben blieb.
Rinyaviê widerstand dem Drang, die beiden Männer seine Schwertklinge spüren zu lassen, um sie dafür zahlen zu lassen, dass sie ihm eine fast tote Geisel gebracht hatten und sich dabei noch so verhielten, als ob sie die beste Arbeit geleistet hätten. Doch er konnte auf keinen der Männer verzichten, denn jeder Krieger weniger bedeutete ein herber Verlust, der über Sieg oder Niederlage entscheiden konnte. Trotzdem musste er seinem Ärger Luft machen und so schrie er seinen ganzen Zorn heraus, sodass im gesamten Lager augenblicklich Ruhe einkehrte.
"Das darf doch nicht euer Ernst sein, ihr einfältigen Narren! Ihr habt ihn ja fast umgebracht! Der Elbenkönig wird wohl kaum unsere Forderungen erfüllen und sich gegen einen Kampf entscheiden, wenn er einen toten Sohn zu Gesicht bekommt! Seht ihn euch an! Jetzt können wir unsere Zeit auch noch damit verschwenden, ihn wieder so gut es geht zusammen zu flicken! Geht und kommt mir für heute nicht mehr unter die Augen! Schickt nach dem Heiler, damit er versuchen kann zu retten, was noch zu retten ist!"

Legolas vernahm diese Äußerungen wie durch einen dichten Nebel hindurch , aber sie zeigten ihm nur zu deutlich die Hoffnungslosigkeit seiner Lage auf, er fühlte selbst, dass es nicht gut um ihn stand. Feurig breitete sich der Schmerz in seinem Rücken aus, ein Zeichen der fortschreitenden Entzündung der Stichverletzung, seine gebrochenen Rippen machten es ihm unmöglich, eine schmerzfreie Bewegung zu tun, was auch das Luftholen zu einer Qual machte. Er hatte eine Menge Blut verloren und seine Arme verließ nur langsam das taube Gefühl. Sein Leben lag nun in den Händen seines Vaters, der sicher nichts unternehmen würde, was die Sicherheit und Freiheit seines Volks gefährdete! Vor allem nicht, nachdem der letzte Streit zwischen ihnen stattgefunden hatte und er ohne ein Wort mit Gimli und Tanhis sein Reich verlassen hatte! Sicher hatte er bereits von seiner Bindung zu Tanhis erfahren, die ihn sicherlich ebenfalls nicht sehr erfreut hatte.
Seine einzige Hoffnung bestand noch darin, dass Gimli und Tanhis eine Flucht gelungen war und sie es bis nach Minas Tirith geschafft hatten. Aragorn würde bestimmt etwas unternehmen, wenn er von seiner Gefangennahme erfuhr, doch selbst dann war es fraglich, ob er noch rechtzeitig eintreffen würde. Außerdem würde er sich einer beträchtlichen Menge an Kriegern gegenüber sehen, gegen die er ohnehin nichts ausrichten konnte.

Legolas öffnete die Augen und brauchte einen Augenblick, bis er klar das Gesicht des Mannes erkennen konnte, dass sich über ihn beugte und er versuchte, seinen Gegenüber einzuschätzen, der sicher über sein weiteres Schicksal entscheiden würde.
Er musste älter als Aragorn sein, denn um seine Augen zeigten sich schon tiefe Falten und einzelne Strähnen seines Haares waren von Grau durchzogen, doch er strahlte Macht und Härte aus, was Legolas’ Zuversicht nicht gerade steigerte. Dieser Mann schien ganz genau zu wissen, was er wollte und er würde sicher alles daran setzen, seine Ziele zu erreichen, nur war Legolas immer noch nicht klar, welche Rolle sein Vater dabei spielen sollte und welche Forderungen Thranduil gestellt bekommen hatte.

Rinyaviê musterte Legolas eingehend und zog überrascht die Augenbrauen hoch, als dieser nun die Lider hob und zu ihm aufsah.
"Na, das Bürschchen ist wohl zäher als ich dachte!", stieß er hämisch hervor und richtete sich dann direkt an Legolas.
"Dein Vater wird doch sicher seinen Sohn wohlbehalten wiederhaben wollen, oder? Also rate ich dir, dass du keine Dummheiten machst!"
Trotz der Schmerzen verzog Legolas seine Lippen zu einem schwachen Lächeln.
"Ihr macht euch falsche Hoffnungen...., wenn ihr glaubt, mein Vater würde wegen mir... sein Volk verraten. Ihr hättet... einen besseren Weg wählen sollen! - Ich werde euch nicht von großem Nutzen sein."
Rinyaviê packte Legolas an den Schultern und zog ihn abrupt in die Höhe, um ihn wütend anzufunkeln und Legolas entfuhr ein Schmerzschrei. Das er dem Elb weitere Schmerzen bereitete, schien Rinyaviê nicht zu interessieren und er schüttelte ihn wütend.
"Netter Versuch, Kleiner, aber darauf werde ich nicht hereinfallen. Thranduil hat die Wahl! Entweder er richtet sich gegen König Elessar, oder er wird dich nicht mehr lebend wiedersehen!"

Aragorn - schoss es Legolas durch den Kopf. Sein Freund befand sich in Gefahr und er war nicht dazu in der Lage, ihn zu warnen, oder ihm beizustehen! Was hatte Rinyaviê vor?
Noch bevor Legolas eine Vermutungen anstellen konnte, sprach der Haradrim weiter und der Klang seiner Stimme, zeigte, dass wahrlich ein großer Grund zur Sorge bestand, denn sie war erfüllt von Hass, Neid und Brutalität.
"Ihr Elben habt lange genug die Gunst des Königs von Gondor genossen! Es wird Zeit, dass wir uns holen, was uns zusteht! Zu lange haben wir in den kargen Landen leben müssen, während euer Volk und der König in Überfluss und Reichtum gelebt haben! Seid euch gewiss, dass wir nicht eher aufgeben werden, bis wir über Gondor und die Reiche der Elben herrschen werden und ihr seid der Schlüssel, der uns diese Türe öffnen wird! Auch wenn es nicht so aussieht, so ist es egal, wie sich euer Vater entscheidet, denn ihr bedeutet die Schwäche von ihm und König Elessar! Selbst wenn Thranduil sich gegen euer Leben entscheiden wird, so wird der König wohl kaum einen seiner Freunde aufgeben! Ich habe gesehen, wie sich euer Bund im Ringkrieg geschlossen hat und auch danach hat eure Freundschaft alle Gefahren überdauert. Also versucht nicht, euch als nutzlos darzustellen! Durch euch haben wir die Macht, Thranduil UND König Elessar in die Knie zu zwingen!"

Rinyaviê hatte sich so in Rage geredet, dass er alle Vorsicht vergaß und Legolas nun selber schikanierte, ohne auf die Verletzungen Rücksicht zu nehmen. Der Hass drang aus jeder seiner Poren und in seinen Augen stand ein irrer Blick, während er Legolas immer heftiger schüttelte und ihn schließlich unbeherrscht gegen die Felswand stieß.
Hart prallte Legolas auf, die Schmerzen schossen wie ein Blitz durch seinen Körper und noch bevor er zu Boden sackte, schwanden ihm die Sinne und er wurde von Dunkelheit umfangen.

Rinyaviê blieb schwer atmend stehen und starrte auf den leblosen Körper, der vor seinen Füßen lag. Schweiß rann an seinen Schläfen entlang, seine Haare standen wirr vom Kopf und seine Hände krampften sich zu Klauen zusammen. Die Blicke aller Krieger in der weitläufigen Höhle waren auf ihn gerichtet und erst nach einigen Minuten wurde er sich ihrer wieder bewusst und schrie sie herrisch an.
"Was glotzt ihr denn so? Macht euch an die Arbeit und seht zu, dass der Heiler hier endlich auftaucht! Sonst wird er seine Künste bald an sich selber ausprobieren können!"
Eilige Schritte erklangen aus einem Ende des Gewölbes und ein schmaler, in braune Leinen gekleideter Mann hastete in gebückter Haltung auf Rinyaviê zu und warf ihm einen ängstlichen Blick zu, bevor er sich neben den Elben kniete und leise Worte murmelte, aus denen man nur hin und wieder ein "..sieht nicht gut aus...", oder "...sehr schlecht..." vernahm. Dann winkte er zwei Männer zu sich heran, die er anwies, den Elben in seine abgelegenen Höhlen zu tragen, um ihn dort verpflegen zu können und als sie seinen Befehl durchführten, blieb an der Stelle, wo Legolas gelegen hatte, ein feuchter, dunkler Fleck zurück.


Zwölfter Abschnitt

Aragorn ritt schweigsam hinter den Ponys her, die Frodo und Sam auf ihren Rücken trugen, während seine Gedanken pausenlos um Legolas kreisten und die Sorgen ihn regelrecht quälten. Die Zeit war eindeutig nicht auf ihrer Seite und wenn es stimmte, was die Elbin Gandalf berichtet hatte, so waren die Verletzungen, die Legolas erlitten hatte, nicht gerade harmlos gewesen. Wenn es sich anders verhalten hätte, wäre es der Horde Orks und Haradrim wohl auch nicht gelungen, den Elben zu überwältigen und in Gefangenschaft zu nehmen, denn Legolas konnte es getrost mit einer beachtlichen Menge Gegner aufnehmen, dass hatte er oft genug bewiesen. Ihn bei einer Schlacht an seiner Seite zu haben, bedeutete ein hohes Maß an Sicherheit und er zählte soviel wie zehn der erfahrensten Krieger zusammen.
Doch auch als Freund nahm er eine der wichtigsten Stelle in Aragorns Leben ein, denn sie hegten ein fast brüderliches Verhältnis und hätten ohne zu zögern ihr Leben füreinander gelassen. Es würde ein beträchtlicher Verlust für ihn bedeuten, den niemand zu ersetzen vermochte.

Diesen trüben Gedanken versuchte Aragorn jedoch entschieden zu verdrängen und zwang sich, etwas anderes in den Sinn zu bekommen, dass weitaus erfreulicher zu sein schien.
Aragorn waren die Andeutungen, bezüglich der Elbin, die Gandalf gemacht hatte, nicht entgangen und ein schwaches Lächeln breitete sich auf seinen Lippen aus. Die Vorstellung, dass Legolas endlich jemanden gefunden hatte, der ihm den Kopf verdreht hatte, ließen keinen anderen Schluss zu, als das es sich um eine ganz außergewöhnliche Person handeln musste, denn so leicht war Legolas nicht zu beeindrucken. Sie schien auch einen mächtigen Eindruck auf Gandalf gemacht zu haben, denn der Zauberer erwähnte sie immer wieder in seinen Nachrichten und verließ sich auf ihr Urteil und ihre Fähigkeiten. Von Gimli ganz zu schweigen! Diese Tanhis war es anscheinend gelungen, den Zwerg ebenfalls enorm zu beeindrucken und das in noch kürzerer Zeit, als Legolas es damals vermocht hatte!

Frodo warf einen Blick über seine Schulter, als er Aragorn kurz auflachen hörte und musterte ihn verwundert. Was, bitte schön, gab es im Moment denn zu lachen? Sie waren nun schon vier Tage unterwegs und hatten sich nur die nötigste Rast gegönnt, ihre Vorräte gingen zur Neige, bis Lôrien brauchten sie noch mindestens einen Tag und ständig erreichten sie unveränderte Nachrichten von Gandalf. Sie hatten immer noch keinen Hinweis darauf gefunden, wohin Legolas verschleppt worden war, Thranduil weigerte sich strikt, auch nur zum Schein auf die Forderungen einzugehen und die Haradrim hatten sich nicht mehr gemeldet. So konnten sie nur hoffen, dass Legolas überhaupt noch am Leben war und es ihnen gelingen würde, ihm zu helfen.
Frodo warf einen fragenden Blick auf Sam, der ihn nicht minder verwundert ansah und dann mit den Schultern zuckte. Frodo konnte es nicht glauben, dass Aragorn in dieser Situation etwas erheiternd fand und fuhr ihn ungläubig an.
"Was gibt es denn so lustiges, Aragorn? Hast du vergessen, weshalb wir unterwegs sind? Das ist wohl kaum der richtige Moment um sich zu amüsieren!"
Aragorns Lachen verstummte und er sah Frodo beschwichtigend an.
"Verzeih, wenn ich den Eindruck erweckt habe, dass mich Legolas’ Schicksal nicht berührt, aber ich musste eben daran denken, wie er und Gimli sich kennen gelernt haben und wie sie sich ständig mit Sticheleien bekriegt haben. - Das scheint schon eine Ewigkeit her zu sein!", fügte er wieder betrübt hinzu.
Frodo bekam ein schlechtes Gewissen, dass er auch nur einen Augenblick geglaubt hatte, Aragorn würde nicht an Legolas denken.
"Schon gut, ich bin wohl nur gereizt, weil ich mir auch den Kopf darüber zerbreche, wie es ihm wohl geht...."
"Da!", schrie Sam plötzlich aufgeregt und wies auf die Öffnung zwischen den Felsen, die sich nun vor ihnen zeigte. Im Licht der Nachmittagssonne erhoben sich hinter der grünen Ebene die Bäume von Lôrien majestätisch in den Himmel, von einer inneren Kraft erfüllt und in leuchtendes Strahlen getaucht. Dieser Anblick ließ sie stehen bleiben und die Freunde betrachteten die Schönheit der Wälder, die sie auf ihre ganz eigene Art erfüllte.

Nach einigen schweigenden Minuten lenkte Aragorn sein Pferd an den Hobbits vorbei und warf einen letzten Blick in die Ebene herunter.
"Kommt, meine Freunde. Es wird Zeit, dass wir erfahren, was Gandalf in der Zwischenzeit erreicht hat. Vielleicht gibt es ja doch schon erfreulichere Nachrichten!"
Frodo und Sam rissen sich von dem Anblick des Waldes los und folgten Aragorn, doch Frodo konnte nicht sagen, ob er froh war, endlich ans Ziel zu gelangen. Was würden sie für Neuigkeiten erwarten?

*

Tanhis hatte die letzten Tage damit zugebracht, sich von ihren Sorgen und Ängsten abzulenken, indem sie die Suchtrupps begleitet hatte, zusammen mit Gimli und Gandalf Überlegungen angestellt hatte und überall da geholfen hatte, wo es eben nötig war. Zudem hatte sie alles daran gesetzt, Thranduil aus dem Weg zu gehen, der sich ihnen mit seiner Truppe angeschlossen hatte und sich nun ebenfalls in Lôrien aufhielt.
Alleine sein Name reichte aus, um den Zorn und die Verzweiflung in ihrem Herzen wieder hervor zu rufen und sie wusste, dass sie sich kein weiteres Mal unter Kontrolle haben würde, wenn sie auf den König treffen würde. So war sie stets darauf bedacht, zu wissen, wo sich Thranduil gerade aufhielt.
Doch egal was sie auch anstellte, immer wieder holte sie der Schmerz des Verlustes ein und sie fühlte sich, als habe man ihr das Herz aus der Brust gerissen. Ständig quälte sie die Frage, wie es Legolas wohl gehen mochte und ob er überhaupt noch am Leben war und Nachts schreckte sie aus furchtbaren Träumen hoch, in denen sie ihre schlimmsten Ängste bestätigt fand.
Wie vermochte es Thranduil nur, so eiskalt gegenüber der Tatsache zu sein, dass sich sein Sohn in den Händen des Feindes befand, verwundet und ohne jeden Beistand! Das es ihn in keiner Weise berührte, hatte er nur zu deutlich bei ihrem Zusammentreffen bewiesen und immer noch rann Tanhis ein Schauer über den Rücken, wenn sie an den eisigen Blick des Königs dachte, mit dem er sie gemustert hatte.

Um ungestört zu sein, machte Tanhis sich an diesem Nachmittag auf, in die Nähe einer kleinen Quelle, die abgelegen des Lagers lag. Den ganzen Tag hatten sie, Gimli und Gandalf damit zugebracht, die Posten aufzusuchen, deren Späher ausgesandt worden waren, um nach Hinweisen und Spuren zu suchen, die in irgend einer Weise einen Schluss zuließen, wohin man Legolas gebracht hatte. Doch wieder waren ihre Bemühungen erfolglos gewesen.
Es schien fast so, als habe der Erdboden sich aufgetan und die Feinde, samt ihres Gefangenen, verschluckt! Wie war es sonst möglich, dass eine solch große Gruppe, ohne Spuren zu hinterlassen, sich durch das Gebiet der Elben bewegen konnte, ohne gesehen zu werden?
So viele Fragen, auf die sie keine Antwort fand schwirrten in ihrem Kopf, dass sie ihrer Umgebung nicht wirklich Beachtung schenkte und nichts von der Schönheit des Waldes aufnahm. Sie setzte wie von selbst, einen Fuß vor den anderen und war mit ihren Gedanken bei Legolas, sodass sie fast gegen Thranduil gestoßen wäre, der sich ihr plötzlich in den Weg stellte.

Erschrocken zuckte sie zusammen und starrte ihn im ersten Moment nur verwundert an, doch dann übermannte sie auch gleich wieder die Wut und sie warf ihm einen verachtenden Blick zu.
"Lasst mich vorbei! Zwischen uns ist wohl alles gesagt, was von Bedeutung wäre!", sagte sie mit fester Stimme und wollte an dem König vorbei, der sie jedoch am Arm zurückhielt und ihren Blick suchte.
"Ich bin gekommen, um einiges richtig zu stellen, also seid so gut und schenkt mir einen Augenblick Gehör, bevor ihr euch ein Urteil über mich bildet! Unser erstes Zusammentreffen ist nicht so glücklich verlaufen und ihr könntet einen falschen Eindruck von mir gewonnen haben!"
Tanhis lachte gereizt auf und funkelte Legolas’ Vater herausfordernd an.
"Ich wüsste nicht, was ich falsch verstanden haben könnte! Euer Standpunkt war klar und deutlich! Ihr macht euch nicht das geringste aus eurem Sohn, oder sorgt euch um sein Wohlergehen! Ihr kennt ihn nicht einmal richtig und macht euch auch nicht die Mühe, ihn kennen zu lernen! Was bitte schön, gibt es da noch zu klären?" Tanhis befreite mit einem Ruck ihren Arm aus dem Griff des Elben und wollte sich schon abwenden, doch Thranduil hielt sie mit seiner nächsten Äußerung zurück.
"Er ist mein Sohn und ich mache mir mehr aus ihm, als ihr denkt! Ich sorge mich ebenso sehr um sein Wohl, wie ihr!"
Tanhis wirbelte herum.
"Ach ja? Dann habt ihr aber eine eigenwillige Art, dass zu zeigen!"
"Was soll ich denn eurer Meinung nacht tun?" Thranduil kam wieder einen Schritt auf sie zu. "Nicht ich alleine habe zu entscheiden! Der Rat trägt ebensoviel dazu bei und ich durfte mein Volk nicht vergessen! Mein persönliches Interesse musste ich zurückstellen und an die vielen Leben denken, genau, wie an die Freiheit, die alle Elben verloren hätten, wenn ich mich anders entschieden hätte. Ich hatte die Entscheidung zu treffen, ob ein Leben mehr zählt, als das eines ganzen Volkes und vielleicht auch das der Menschen aus Gondor!"
"Aber warum habt ihr denn erst gar nicht versucht, zu verhandeln oder einen Suchtrupp losgeschickt? Wenn euch wirklich soviel an Legolas liegt, dann hättet ihr doch irgend etwas tun müssen! Ihr habt ihn doch längst aufgegeben, lange bevor er aus Düsterwald aufgebrochen ist! Habt ihr euch jemals die Mühe gemacht, ihm zuzuhören und ihn zu verstehen?"
"Nein.", antwortete Thranduil knapp und Tanhis konnte plötzlich das tiefe Bedauern in seiner Stimme hören, dass sie augenblicklich aufhorchen ließ.
"Aber ich wünschte, ich würde noch einmal die Gelegenheit dazu bekommen! Auch wenn ihr mir nicht glaubt, so weiß ich, dass ich einen wundervollen Sohn habe und ich sehe auch, dass ich viele Fehler gemacht habe! Euch zu schnell zu verurteilen, ist einer, den ich noch offen zugeben kann. Ich verstehe immer mehr, warum sich mein Sohn für euch entschieden hat! Ich habe euch in den letzten Tagen beobachtet und erkannt, dass niemand würdiger ist, an seiner Seite zu sein, als ihr!"
Thranduil schwieg eine Weile und Tanhis war unfähig, auch nur einen Ton heraus zu bringen, so überrascht war sie von dem, was er eben gesagt hatte. Dennoch war sie immer noch misstrauisch und sah ihn argwöhnisch an. Als er wieder zu sprechen begann, lag wieder die königliche Würde in seiner Stimme und er straffte die Schultern, die er bis eben noch müde und kraftlos hängen gelassen hatte.
"Ich werde meine Truppen noch eine Weile hier in Lôrien halten, doch wenn Gondor angegriffen wird, werde ich nicht länger zögern, zu Hilfe zu eilen. Lasst uns hoffen, dass ihr ihn bis dahin gefunden habt und befreien konntet. – Mehr kann ich nicht für ihn tun!"

Tanhis sah dem König nach, der sich mit raschen Schritten zurück zum Lager begab und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Sie war völlig verwirrt und wusste nicht, wie sie mit der plötzlichen Offenbarung von Thranduils Gefühlen umgehen sollte, denn es hatte ehrliche Sorge und Bedauern in seinem Gesicht gestanden und auch sein Eingeständnis ihr gegenüber war aufrichtig gewesen, dessen war sie sich sicher. Die Gedanken in ihrem Kopf kreisten und erst nach einiger Zeit erfasste sie die Bedeutung der letzten Worte, die Thranduil gesagt hatte. Er hatte ihnen einen Aufschub verschafft, der vielleicht das Leben von Legolas retten konnte!


Dreizehnter Abschnitt


Das Erste was Legolas wahr nahm, waren die verschiedensten Gerüche, die in der feuchten Luft schwebten. Kamille, Minze, Lavendel, Fenchel, aber auch der Duft von Feuer und Qualm lagen in dem stickigen, kleinen Gewölbe und erdrückten Legolas fast. Es war wie eine tonnenschwere Last, die auf seinem Brustkorb ruhte und es kostete ihn eine enorme Kraftanstrengung, auch nur die geringste Menge an Sauerstoff in seine Lungen zu ziehen. Schweiß rann ihm an den Schläfen entlang und er fühlte die Hitze im Raum, die selbst seinen Körper erfüllte, glühend und brennend.
Er öffnete mühsam die Augen und brauchte einige Zeit, bis er schemenhaft seine Umgebung erfasste, eine Feuerstelle an der Seite des Gewölbes, über der ein eisener Kessel hing, Tische und Regale, die mit allerlei Töpfen und Tiegeln vollgestopft waren, einen Haufen mit Fellen und Decken und eine Schlafstatt, die sich am anderen Ende des Raumes befand. Von der Decke hingen Bündel aus getrockneten Kräutern, die Ursache für den intensiven Geruch, der Legolas in die Nase stieg.
Legolas wollte sich auf den Rücken rollen, um auch seine übrige Umgebung zu erkunden, doch umgehend hielt ihn der stechende Schmerz zurück, der heiß zwischen seinen Schultern hervorgerufen wurde.

Plötzlich fühlte er ein feuchtes, kühles Tuch, dass ihm an die Stirn gedrückt wurde und er sank zurück, schloss die müden Lider und versuchte, seine Kräfte neu zu sammeln. Erneut zwang er sich, die Augen zu öffnen und wandte den Kopf. Neben seinem Lager saß ein unscheinbarer, alter Mann, dessen Gesicht von unzähligen Falten bedeckt war, die von seinem hohen Alter zeugten, seine Züge waren weich und freundlich und er lächelte Legolas an, während er das Tuch beiseite legte und seine Hand in den Nacken des Elben legte, um ihm zu helfen, sich ein Stück aufzurichten. Vorsichtig führte der Mann einen Becher an Legolas’ Lippen und flößte ihm eine Flüssigkeit ein, deren Geschmack nicht zu deuten war, dann ließ er ihn wieder zurück in die Kissen sinken und beugte sich über ihn.
Mit geübten Händen löste er den Verband und betrachtete die tiefe Wunde, deren Entzündung deutlich sichtbar war und murmelte besorgte Worte, bevor er sich an Legolas wandte.

"Es ist lange her, dass ich einen Elben zu Gesicht bekommen habe, Junge! Aber selten habe ich einen gesehen, der bei solchen Wunden länger als drei Tage überlebt hätte. Ihr seid stark und kämpft, dass ist ein gutes Zeichen..."
Als er den Rand der Verletzung berührte, zuckte Legolas zusammen, stöhnte auf und versuchte, sich der Berührung zu entziehen und der Mann klopfte ihm beruhigend auf die Schulter und bedeutete ihm, ruhig liegen zu bleiben.
"Schon gut, Junge! Ich wollte nur sehen, ob die Kräuter schon wirken. Bin schon fertig!"

Legolas spürte, wie er den Verband wieder befestigte und entspannte sich, als der Mann fertig war. Er versuchte sich auf dessen Stimme zu konzentrieren, um nicht wieder in Schlaf zu sinken, auch wenn er zu erschöpft war, um seine Augen noch geöffnet zu halten.
Wer war nur dieser Mann? Und wo befand er sich überhaupt? Das Letzte, woran er sich erinnerte, war der Aufbruch aus Düsterwald, den er zusammen mit Tanhis und Gimli angetreten hatte, danach war alles nur noch Lückenhaft in seiner Erinnerung, einzelne Bilder, die nur für den Bruchteil einer Sekunde erschienen und wieder verblassten, während er verzweifelt versuchte, sie wieder zusammen zu fügen, doch es wollte ihm einfach nicht gelingen und er gab auf.
Langsam ließ der brennende Schmerz in seinem Rücken nach, aber die Hitze bahnte sich noch immer ihren Weg durch seine Adern und verbrannte ihn von Innen heraus, was ihm nicht weniger Qualen bereitete. Wieder fühlte er ein kühlendes Tuch auf seiner Stirn und verspürte eine leichte Linderung, aber schon nach kurzer Zeit stellte sich dieser Versuch, das Fieber zu senken, als vergeblich heraus. Immer höher stieg das Fieber und schließlich loderte es so heiß in ihm, dass es seine Sinne verwirrte und er keinen klaren Gedanken mehr fassen konnte. Die Erinnerungen der verschiedensten Ereignisse erfüllten ihn und bald drehten sie sich im Kreis und wechselten sich mit enormer Geschwindigkeit vor seinem inneren Auge ab, dass sie miteinander verschwammen und ihn mit sich rissen.

Alcthon nahm mit Besorgnis die Veränderung an dem Elb wahr, der eben noch einen schwachen, aber klaren Eindruck erweckt hatte, jetzt schüttelten ihn jedoch Fieberkrämpfe und er gab wirres Zeug von sich, mal in Elbisch, mal in der gemeinsamen Sprache. Unruhig wand er sich in der Qual der Hitze hin und her und atmete immer unregelmäßiger und flacher und Alcthon überkam die Befürchtung, dass seine bisherigen Bemühungen vergeblich gewesen waren, er musste doch zu stärkeren Mitteln greifen, die er jedoch äußerst ungern anwandte. Doch wenn er den Elb nicht noch in dieser Nacht verlieren wollte, so musste er bald eine Entscheidung treffen.

Wieder ließ er für lange Minuten seinen Blick auf dem Gesicht des Verwundeten ruhen und konnte es immer noch nicht glauben, dass es sich um einen Elben handelte, doch alleine seine spitz zulaufenden Ohren waren Beweis genug für diese Tatsache!
Er hatte schon viel über dieses Volk gehört, ihre Reinheit und Schönheit, ihre Kampfkunst, aber vor allem, über die intensive Bindung zu der Natur, aus der sie ihre ganze Kraft zu ziehen schienen. Schon immer hatte er sich nichts sehnlicher gewünscht, als wieder einmal auf einen Elben zu treffen und mehr über dieses Volk zu erfahren, natürlich am meisten über deren Heilkünste.
Gerade jetzt wären sie von großem Nutzen, doch so war er auf seine eigenen Fähigkeiten angewiesen, die er sich im Laufe der Jahre angeeignet hatte. Doch es bestand ein gehöriger Unterschied darin, ob er einen einfachen Krieger der Haradrim von einer Grippe befreien, oder kleineren Verletzungen versorgen musste, oder einen Waldelben, der solch schwere Verletzungen und hohes Fieber hatte und zudem auch noch die Geisel seines Herrn war! Rinyaviê würde ihn umgehend selber ins Jenseits befördern, wenn es ihm nicht gelang, dass Fieber zu senken und die Entzündung zu stoppen.

Das Letzte, was Alcthon noch versuchen konnte, war es, den Saft einer Giftpflanze anzuwenden, die sicherlich im Kampf gegen die Entzündung die Oberhand gewinnen würde, nur konnten auch nicht vorhersehbare Komplikationen auftreten, die er sich lieber nicht ausmalen wollte. Doch was blieben ihm sonst noch für andere Möglichkeiten?
Schwerfällig erhob er sich von seinem Platz neben dem Elben und schlurfte zu einem der Regale, wo er zielsicher einen verstaubten Tiegel griff und den Staub von dem versiegelten Deckel blies, der ihm umgehend in der Nase kitzelte, bis er das Niesen nicht mehr unterdrücken konnte.
Geschickt machte er sich dann an die Arbeit und holte mehrere Schüsseln, kochendes Wasser und Tücher, entkorkte den Tiegel und ließ die zähe Flüssigkeit in das Wasser laufen und rührte so lange, bis sie sich völlig aufgelöst hatte. Ein beißender Gestank stieg aus der Schüssel auf und Alcthon tauchte die Tücher in den dampfenden Sud, ließ sie sich damit voll saugen und kehrte zu dem Lager zurück, auf dem sich der Elb befand.

Während der ganzen Zeit hatte er ihn nicht aus den Augen gelassen und erkannt, dass er sich mit seiner Arbeit beeilen musste, wenn er ihm noch helfen wollte und dieser Umstand verdrängte jetzt auch die letzten Zweifel an der Richtigkeit seines Vorhabens.
Rasch löste er die Verbände wieder, entblößte die Wunde und zog eines der Tücher aus der Schüssel. Noch einen kurzen Moment hielt er zögernd inne, doch dann machten die Zweifel der Entschlossenheit platz und er presste den durchtränkten Stoff gegen die Wunde.
Augenblicklich bäumte sich der Elb unter Qualen auf, stöhnte und sein gesamter Körper spannte sich an, verharrte so einen ewig langen Moment, bevor er unter Alcthons Händen erschlaffte und regungslos auf die Bahre zurücksank. Alcthon hielt den Atem an und richtete seine ganze Aufmerksamkeit auf den Brustkorb des Elben und mit einem befreienden Seufzer entwich ihm die Luft, als er eine schwache, aber regelmäßige Bewegung erkannte, in der dieser sich hob und senkte.

Er erneuerte das Tuch auf der Wunde, schlang die Enden des Verbandes wieder darum und verknotete sie, dann schlug er eine Decke darüber und nahm wieder an der Seite des Lagers platz. Nun konnte er nur noch abwarten.

*

Als Tanhis wieder in das Lager zurück kehrte, senkte sich bereits die Dämmerung über die Hügel und Wälder und tauchten die Umgebung in warme, gedämpfte Farben. Lange hatte sie an der kleinen Quelle gesessen, dessen plätschernder, sprudelnder Klang sie immer wieder an die erste Begegnung mit Legolas erinnert hatte, als sie am Fluss einen Pfeil auf ihn geschossen hatte. Doch das Gespräch mit Thranduil hatte immer wieder diese Erinnerung verdrängt, wofür sie in gewissem Maße dankbar war, und sie hatte versucht, den König und seinen plötzlichen Anflug von Gefühlen zu verstehen. Sie wurde jedoch einfach nicht schlau aus ihm! Wie war es möglich gewesen, dass er seine Meinung über sie so schnell geändert hatte? Er hatte ihr zwar gesagt, dass er sie beobachtet hatte, doch sie hatte davon nicht das geringste gemerkt. Im Gegenteil, sie selbst hatte doch alles daran gesetzt, im nicht zu begegnen!

Doch auch diese Überlegungen wurden zur Nebensache, wenn sie daran dachte, dass Thranduil ihnen etwas Zeit verschafft hatte und sie schickte eine Bitte an die Valar, dass diese Zeit ausreichen mochte, um Legolas zu finden! Immer deutlicher spürte sie, dass Eile geboten war und ihre Gefühle hatten sie diesbezüglich noch nie im Stich gelassen und so hatte sie dann auch schnellstens den Rückweg ins Lager angetreten, um Gimli und Gandalf von Thranduils Einlenken zu berichten.

Tanhis trat aus dem Schatten der Bäume und erblickte Gimli sofort, der vor einer kleinen Gruppe Männer stand und mit wild gestikulierenden Armen und donnernder Stimme von der Schlacht im Wald berichtete und unwillkürlich musste sie lächeln. Der Zwerg hatte einfach ein Talent zur Übertreibung und so konnte sie bis hier her vernehmen, dass sich die Zahl ihrer Gegner, mindestens verdoppelt hatte.
Interessiert näherte sie sich der Gruppe und stellte dabei überrascht fest, dass sie ihr erster Eindruck getäuscht hatte und es sich nicht ausschließlich um Männer handelte, die Gimlis Bericht lauschten, oder doch?
Zwei zumindest, wiesen eine geringere Größe auf, doch um Zwerge handelte es sich eindeutig nicht. Ihre Gesichter waren ohne jeden Bartwuchs, ihre Züge freundlich und mild, mit strahlenden Augen, ihre Ohren schauten unter lockigem Haar hervor, das ihnen wirr vom Kopf stand. Erst als die Füße der Fremden in ihr Blickfeld traten, überkam sie die Erkenntnis, dass es sich um Hobbits aus dem Auenland handeln musste, von denen Gimli und Legolas schon so viel erzählt hatten!
Sie beschleunigte ihren Schritt und als sie die kleine Gesellschaft fast erreicht hatte, erhob sich ein großer, stattlicher Mann in der Runde, dessen schlanke Gestalt in einen Elbenmantel gehüllt war, jedoch deutlich von einer enormen Würde erfüllt war. Sein braunes Haar glänzte im Schein des kleinen Feuers und er sah ihr erwartungsvoll entgegen.
Tanhis erkannte sofort, um wen es sich handelte und eine leichte Unsicherheit überkam sie, denn sie wusste nicht so recht, wie sie dem König von Gondor gegenüber treten sollte. Legolas hatte ihr zwar schon so viel von ihm erzählt, dass sie glaubte, ihn auch schon einschätzen zu können und doch war es etwas völlig anderes, ihm nun gegenüber zu stehen.

Aragorn erhob sich, als er die Elbin erfasste, die sich auf ihre Gruppe zu bewegte, mit den geschmeidigen Bewegungen einer Katze, die nicht das geringste Geräusch verursachten. Ihr Anblick reichte aus, um ihm zu sagen, dass es sich bei ihr um Tanhis handelte und als sie nun in den Lichtkegel des Feuers trat, wusste er sofort, was Legolas dazu veranlasst hatte, ihr zu erliegen. Sie hob sich in ihrer Erscheinung völlig von den übrigen Elben ab und verströmte eine fesselnde Ausstrahlung, die selbst ihn erfasste und er musste lächeln. Tanhis besaß wahrlich eine Art, die Legolas ansprach! Sie strahlte eine Wildheit aus, die gut zu dem ruhigen, ausgeglichenen Wesen von seinem Freund passte und so schienen sie sich zu ergänzen. Sie war eine Kriegerin, so wie er, und ihre Unvollkommenheit, zu der ihr wirres Haar mit den unzähligen Blättern, aber vor allem ihre Sommersprossen zählten, hatte durchaus etwas reizvolles an sich. Ihre Augen leuchteten und zeigten Reife und Wissen, aber auch Herzlichkeit und Milde. Die jedoch nicht von dem wilden Funkeln darin abzulenken vermochten.
Ein Seitenblick auf die Hobbits, die mit offenen Mündern auf Tanhis starrten, zeigten Aragorn, dass auch sie von ihrer Wirkung ergriffen waren, und sein Lächeln wurde noch breiter.

Tanhis blieb dicht vor ihm stehen, zeigte mit einem Elbengruss ihren Respekt und sah dann auch die Hobbits freundlich an, doch es blieb ihnen allen nicht verborgen, dass ihr Blick von großer Sorge und Kummer erfüllt war.
Aragorn nickte ihr zu und sah ihr unverwandt in die grünen Augen.
"Es freut mich sehr euch endlich kennen zu lernen! Gandalf hat bereits in seinen Briefen viel von euch berichtet und auch die Hobbits konnten es kaum erwarten, euch endlich zu treffen!" Er deutete auf Frodo und Sam.
"Das sind Frodo Beutlin und Samweis Gamdschie aus dem Auenland, gute Freunde von Legolas. Sie haben mich begleitet, weil sie sich ebenso um sein Wohlergehen sorgen, wie ich und wir hoffen, dass wir ihm helfen können. Gibt es denn immer noch nichts Neues?"
Tanhis letzte Unsicherheit war bei Aragorns Worten verflogen und neue Hoffnung keimte in ihr auf. Sie fühlte, dass Aragorn ehrlich ihre Sorge teilte und war sich sicher, dass er so schnell nicht aufgeben würde und ihr helfen würde, Legolas zu finden.
"Ich bin froh, dass ihr gekommen seid und freue mich, euch alle endlich kennen zu lernen, auch wenn die Umstände nicht gerade erfreulich sind! Es tut gut zu wissen, dass Legolas so gute Freunde hat, die ihn nicht im Stich lassen."

Gemeinsam setzten sie sich wieder um das Feuer und Tanhis berichtete auch noch mal von der Schlacht auf der Lichtung, ließ dabei nicht das geringste aus, erteilte dann Auskunft über die bisherigen Versuche, etwas über den Aufenthaltsort von Legolas zu erfahren und zum Schluss über das Gespräch mit Thranduil, was auch Gimli und Gandalf neu war.
Gimli schnaubte verächtlich.
"Da zeigt unser erhabener König ja plötzlich doch eine leichte Regung von Zuneigung - oder es ist einfach sein schlechtes Gewissen was sich regt!"
Gandalf lächelte verstohlen und räusperte sich dann.
"Es verschafft uns wenigstens mehr Zeit! Aragorn, wie ist die Lage in Gondor? Wie lange wird es wohl noch dauern, bis der große Angriff statt finden wird?"
"Schwer zu sagen! Sie greifen immer wieder die kleinen, abgelegenen Dörfer an, um unsere Truppen auseinander zu ziehen und uns zu schwächen. Bis jetzt gibt es aber noch keine direkten Forderungen oder ein Ultimatum. Ich vermute, sie warten noch auf Anweisungen von ihrem Führer und der scheint noch nicht in Mordor eingetroffen zu sein, sonst hätte er gewiss schon etwas von sich hören lassen!"
Gandalf überlegte eine Weile und zog dabei an seiner Pfeife, was kleine, weiße Ringel durch die Luft schweben ließ.
"Es besteht jedenfalls die Hoffnung, dass sie nicht sobald angreifen werden. Bis dahin müsste es doch möglich sein, ihr Versteck zu finden! Tanhis, wo genau seid ihr angegriffen worden?", verlangte Aragorn dann zu wissen.
Tanhis beschrieb genau die kleine Lichtung und Aragorn zog eine Landkarte aus seiner Tasche und gemeinsam versuchten sie, die genaue Lage zu bestimmen. Bald hatten sie den Punkt auch ausgemacht und Aragorn betrachtete eingehend die nähere Umgebung und ließ sich noch einmal schildern, in welche Richtungen der Feind verschwunden war, um das Gebiet noch weiter einzugrenzen.
Frodo und Sam lauschten gespannt und aufmerksam, doch egal welche Überlegungen Tanhis und Aragorn auch anstellten, sie fanden keine Möglichkeit, wo sich eine solch große Gruppe versteckt halten konnte.

Frodo wurde ungeduldig und konnte schließlich nicht länger an sich halten.
"Aber sie können doch nicht einfach vom Erdboden verschluckt worden sein! Irgendwo müssen sie doch sein!"
Aragorn sah ihn mitfühlend an, denn er wusste, dass Frodo sich wirklich sehr große Sorgen um Legolas machte und er konnte seinen Ausbruch nur zu gut verstehen. Er wollte gerade etwas darauf erwidern, als ihm ein Gedanke kam und er seinen Blick wieder auf die Karte warf, von einer plötzlichen Vermutung erfasst.
"Das ist gar nicht so dumm, Frodo! Vielleicht sind sie ja wirklich vom Erdboden verschwunden.....! Weil sie nämlich durch einen Tunnel geflohen sind. Seht! Hier, ganz in der Nähe des Überfalls, sind die Ruinen von Dol Guldur! Es gehen immer noch Gerüchte um, dass sich die geheimen Verliese noch in tadellosem Zustand befinden und es auch noch unterirdische Gänge gibt, die sich weit in das umliegende Land erstrecken! Das wäre eine Möglichkeit!"
Tanhis Augen weiteten sich und sie hätte sich selbst gerne eine Ohrfeige gegeben, weil sie nicht schon früher auf diese Idee gekommen war! So war wertvolle Zeit verstrichen, die ihnen jetzt vielleicht fehlte!

Gandalf richtete sein Interesse jetzt auch eingehend auf die Karte und brummte zustimmend, bevor er sich dann an Frodo wandte.
"Da hast du wohl wieder den richtigen Riecher bewiesen, Frodo! Ich sag’s ja, so ein Hobbit ist nicht zu unterschätzen!"
Frodo rutschte verlegen über das Lob auf seinem Platz hin und her, vor allem, als er Tanhis’ dankbaren Blick aus ihren grünen Augen auffing. Er konnte förmlich sehen, wie sehr sie Legolas liebte und was es ihr bedeutete, nun endlich einen Anhaltspunkt zu haben, von wo aus sie ihre Suche fortsetzen konnten. Sie nickte Frodo zu und er konnte spüren, wie dir Röte seinen Hals heraufkroch, bis in seine Wangen, was Tanhis ein Lächeln auf ihr Gesicht zauberte.
"Was für ein seltenes Geschenk!", brummte Gimli freundlich und beugte sich zu Tanhis herüber. "Es wurde auch mal wieder Zeit, dass du dieses Lächeln wieder sehen lässt!"

Gandalf zog bei Gimlis Worten die Augenbrauen hoch und entgegnete überrascht.
"Na, ebenso selten wie dieses Lächeln, ist es wohl, solche Worte aus deinem Munde zu vernehmen, Herr Zwerg!"
jetzt konnte sich die gesamte Gruppe ein Lachen nicht verkneifen und Gimli wurde ebenso rot, wie zuvor Frodo.

Von neuem Tatendrang erfasst und auch etwas erleichtert, begannen die Freunde, sich ihre nächsten Schritte zu überlegen und nach vielen Vorschlägen, und einigen Mahlzeiten der Hobbits, später, wurde beschlossen, dass sich alle gemeinsam gleich bei Morgengrauen aufmachen und nach Dol Guldur gehen würden. Dort wollten sie dann entscheiden, was weiter zu tun war und die Ruine erkunden, die vielleicht sogar einen Hinweis darauf geben würde, wohin die Haradrim Legolas verschleppt hatten.
Nach diesem Entschluss suchten alle ihr Lager auf, um sich schlafen zu legen, denn der nächste Tag würde anstrengend werden.


Vierzehnter Abschnitt

Legolas fühlte sich, als ob eine ganze Horde Orks über ihn hinweg getrampelt wären, doch die Hitze hatte seinen Körper verlassen und seine Erinnerungen, waren ebenfalls mit aller Deutlichkeit zurückgekehrt.
Er befand sich immer noch in Gefangenschaft, verwundet und alleine, getrennt von Tanhis und Gimli, dessen Schicksal er immer noch nicht kannte und das er wohl auch nicht so schnell erfahren würde. Die Orks, Variags und Haradrim hatten ihn hierher geschleppt, mehr tot als lebendig, und ihn zu ihrem Führer Rinyaviê gebracht, der durch ihn seinen Vater erpressen wollte, um Gondors Truppen zu schwächen.
Legolas stöhnte und dachte voll Sorge an Aragorn, der sich früher oder später dem Feind gegenüber sehen würde, sicher völlig unvorbereitet und mehr als alles andere stand für ihn fest, dass er schnellstens versuchen musste, zu entkommen, um den Freund zu warnen.

Noch eine Erinnerung kehrte dann zurück - der alte Mann, der ihn ganz offensichtlich gepflegt und vom Fieber befreit hatte! Legolas sah das Gesicht ganz klar vor sich und schließlich öffnete er die Augen und versuchte, sich aufzurichten, um den Raum nach seinem Retter abzusuchen, denn dessen war er sich sicher – ohne ihn hätte das Fieber sicherlich sein Leben gekostet.

Alcthon nahm die Bewegung hinter sich wahr und drehte sich von seinen Töpfen und Schüsseln weg, um nach dem Elben zu sehen, der nun seid vier Tagen tief und fest geschlafen hatte, nachdem er die Wunde mit der Giftpflanze behandelt hatte. Er fand ihn tatsächlich bei Bewusstsein, doch zeigten sich deutliche Spuren der vergangenen Strapazen in dem edlen, blassen Gesicht, dessen Augen ihn jetzt aus einer Mischung von Dankbarkeit, Vorsicht und Interesse musterten.
Alcthon versuchte es mit einem Lächeln und machte einen Schritt auf das Lager seines Patienten zu.
"Endlich seid ihr wieder bei Bewusstsein, Junge! Ich fragte mich schon, wie lange ihr noch schlafen wollt! Rinyaviê war schon äußerst aufgebracht, dass ich immer noch keine besseren Nachrichten für ihn hatte!"

Der Name des Haradrim reichte aus, um Legolas zur Vorsicht zu rufen und auch seinen Gegenüber wieder als das zu sehen, was er trotz seiner Hilfe war! Sein Feind, der ihn sicher nur deshalb gerettet hatte, um den Befehl seines Herrn nachzukommen und ihn dann wieder zu ihm zu bringen, was sicherlich seine Lage noch verschlechtern würde. Er konnte sich einfach zu gut an das erste Zusammentreffen erinnern, was ihm nur neue Qualen eingebracht hatte und seinen Zustand noch verschlimmert hatte, und jetzt, da es ihm besser ging, würde Rinyaviê gewiss noch mehr Freude daran haben, ihn seine Macht spüren zu lassen.
Deshalb beschloss Legolas, sich zurück zu halten und erst einmal abzuwarten.

"Wie fühlt ihr euch? Habt ihr noch Schmerzen?", forderte Alcthon zu wissen, doch der Elb sah ihn nur unverwandt an, ohne ihm etwas zu entgegnen.
"Ich weiß, dass ihr mich versteht, also gebt mir eine Antwort. Ich habe es verdient, dass ihr mir etwas Dankbarkeit entgegen bringt, immerhin habe ich fünf lange Tage und Nächte an eurem Lager gesessen und euch gepflegt, da kann ich eine Antwort verlangen!"

Fünf Tage!, schoss es Legolas durch den Kopf. War er schon so lange hier?
Diese Erkenntnis veranlasste ihn dazu, sich weiter aufzurichten und augenblicklich zog sich sein Brustkorb unter Schmerzen zusammen und er sank zurück auf das Lager.
Er musste unbedingt einen Weg finden, hier heraus zu kommen und zu seinen Freunden zu gelangen, damit sie gemeinsam nach Gondor reiten konnten, um Aragorn zu warnen, wenn es dafür nicht schon zu spät war! Fünf Tage waren eine lange Zeit und weitere vier Tage, so schätzte Legolas, waren durch den Marsch verstrichen, was bedeutete, dass er neun Tage verloren hatte! Wenn Tanhis und Gimli noch lebten, dann waren sie wahrscheinlich schon halb verrückt vor Sorge oder hatten die Suche schon längst aufgegeben! Selbst wenn Rinyaviê sich schon bei seinem Vater gemeldet hatte, so hatten die Beiden wohl nichts davon erfahren!
Er dachte wieder an Tanhis und sofort erfüllte ihn ein wärmendes Gefühl und er entschied, dass es das Beste war, so viel wie nur möglich in Erfahrung zu bringen und so seine Chancen zu einer Flucht zu verbessern. Also kämpfte er sich wieder hoch und begegnete erneut dem Blick des Mannes, der ihn immer noch abwartend ansah.

"Wer seid ihr?", fragte Legolas statt eine Antwort zu geben.
Der Mann lachte amüsiert auf und trat neben das Lager, um prüfend die Verbände zu kontrollieren.
"Eigentlich seid ihr nicht in der Position hier die Fragen zu stellen, aber ich will mal nicht so sein! Ich heiße Alcthon – und ihr?"
"Legolas, aus dem Waldlandreich.", presste Legolas hervor, als Alcthon schmerzhaft die Wunde begutachtete und nicht gerade sanft den Verband erneuerte.
"Nun, Legolas, das sieht schon sehr viel besser aus, als noch vor wenigen Tagen! Ihr habt eine Menge Kraft in euch und die werdet ihr auch noch brauchen! Euer Vater hat Rinyaviê noch immer nicht seine Entscheidung mitgeteilt und er wird seinen Zorn sicher an euch auslassen, wenn er erfährt, dass ihr wieder bei Bewusstsein seid!"

Legolas versuchte, seine eigene Verwunderung zu verbergen. Thranduil hatte noch nicht entschieden? Das passte gar nicht zu seinem Vater, der sonst nur an das Wohl seines Volkes dachte und dessen Entscheidung für Legolas sicher gewesen war! Sollte er sich doch in seinem Vater getäuscht haben?
Alcthon unterbrach seine Gedanken und musterte Legolas eingehend.
Ich denke, ihr seid kräftig genug, um Rinyaviê holen zu lassen. Ich habe meine Pflicht getan und es wird Zeit, dass ich euch an ihn übergebe."
Er ging zu einem Regal und zog ein Bündel heraus, dass er Legolas zu warf und ihm bedeutete, es zu öffnen. Es enthielt eine einfache Tunika und Beinlinge, sowie Stiefel aus weichem Leder.
"Zieht das an!", murmelte er und verließ dann den Raum, um seinen Herrn zu holen.

Legolas schaute eine Weile hinter Alcthon her, der durch eine dunkle Öffnung in der Felswand verschwand, die durch einen Vorhang aus schwerem Stoff verdeckt war. Gedankenverloren hielt er den noch immer schmerzenden Brustkorb umschlungen, löste mit der anderen Hand die Kordel um das Bündel und zog die Kleidungsstücke heraus. Als er aufstand, um sich anzukleiden, zeigten sich jedoch die Folgen der Verletzung und der Schweiß brach ihm aus, während sich der Raum um ihn herum zu drehen begann und er sich schwankend gegen die Felswand lehnte.
So verharrte er einen Moment und der Schwindel verging langsam, abgelöst durch ein leichtes Zittern, das seinen ganzen Körper erfüllte. Er bedeckte mit der Hand die Augen, ließ sich auf den Boden sinken und versuchte, alleine mit der Kraft seines Willens, die Kontrolle über seinen Körper zurück zu gewinnen, was ihm nach einer unendlich langen Zeit auch ein wenig gelang. Das Zittern der Hände wollte nicht nachlassen, doch immerhin schaffte er es, sich Beinlinge und Stiefel überzustreifen, doch die Schmerzen der Stichwunde hinderten ihn daran, auch die Tunika anzuziehen und nach einigen Versuchen gab er schließlich leise fluchend auf.

Er hatte sich gerade geschafft, sich wieder auf das Lager zu ziehen, als er leise Schritte auf dem Gang vernahm, gefolgt von mehreren stampfenden Schritten, die diese begleiteten.
Legolas richtete sich so weit wie möglich auf, atmete noch einmal tief durch und richtete seinen Blick entschlossen auf den Vorhang, der auch im nächsten Augenblick zur Seite gezogen wurde.
Soll er nur kommen, dachte Legolas bei sich. Von ihm würde er nichts über Aragorns Heere oder die Verteidigungsanlagen der Stadt erfahren, oder sonst etwas, dass Rinyaviê bei einem Angriff nützlich sein konnte. Im Gegenteil! Er würde versuchen, soviel nur eben möglich über Rinyaviês Pläne heraus zu finden und dann zusehen, dass er so schnell wie es ging hier heraus kam, damit er Aragorn warnen konnte. Die Haradrim würden es noch bereuen, dass sie sich gegen Gondor auflehnten und er würde sie zu gerne für jede seiner Qualen zahlen lassen, erst recht, wenn sie Gimli oder Tanhis etwas angetan hatten!

Rinyaviê lachte hämisch auf, als er seinen Gefangenen mit entschlossenem, standhaften Blick auf seinem Lager vorfand, denn es wäre für ihn auch zu langweilig gewesen, wenn der Elb sich einfach gefügt hätte. So bereitete es ihm viel mehr Spaß, ihn langsam zu brechen und in die Knie zu zwingen, bis er schließlich um Gnade betteln würde!

*

Vor zwei Tagen war ihre Gruppe am Dol Guldur angekommen und sie hatten umgehend damit begonnen, die ganze Umgebung genau zu erkunden. Zuerst hatte es so ausgesehen, als ob sie auch hier keinen Erfolg haben würden, aber dann war es der Zufall gewesen, der ihnen geholfen hatte.
Eine kleine Gruppe Orks hatte sich ihnen genähert und sie hatten es im letzten Moment geschafft, sich vor dem Feind zu verbergen und Gimli davon abzuhalten, sie gleich an Ort und Stelle mit einem Schwung seiner Axt zu enthaupten. Versteckt in einem Dickicht aus Dornengestrüpp hatten sie gesehen, wie sich die Gruppe auf die Ruinen zu bewegten, in den Innenhof des ehemaligen Turms traten und dort einen Felsbrocken mit geringer Kraftanstrengung zur Seite rollten. Ein finsterer Gang lag dahinter und mit Pechfackeln ausgestattet, waren die Orks darin verschwunden und hatten den Eingang wieder verschlossen.

Jetzt folgten sie der Gruppe durch die langen, gewunden Gänge und mehr als einmal, wären sie beinahe weiteren Orks in die Arme gelaufen, die wache hielten, doch Aragorn und Tanhis hatten sie jedes Mal rechtzeitig gehört.
Außerdem mussten sie sich vor den Unebenheiten im Boden und herausragenden Felsen in Acht nehmen und immer wieder taten sich Löcher vor ihnen auf, deren Grund nicht zu erkennen war. Tanhis dachte immer wieder an Legolas und was für Qualen er auf diesem Marsch durch die Tunnel ausgestanden haben mochte, verletzt, dem Feind hilflos ausgeliefert und eingesperrt in der erdrückenden Enge. Ein Schauer jagte ihr über den Rücken und sie versuchte, ihr eigenes Unbehagen zu verdrängen, indem sie an die Wälder und Wiesen dachte, den weiten, strahlend blauen Himmel und die Vögel, die dort ihre Kreise zogen, doch so recht wollte auch das nicht helfen. Elben hatten eben nichts unter der Erde verloren, sie gehörten einfach in nicht hierher!

Gimli hingegen war ganz in seinem Element und er genoss dies auch sichtlich, denn immer wieder blieb er stehen und begutachtete Kristalle und Edelsteine, die in den Felswänden funkelten und wie unzählige, kleine Sterne das Licht ihrer Fackeln zurückwarfen. Mehr als einmal musste Aragorn ihn weiterziehen, damit er sich von der Pracht losriss und sich dabei die Ausführungen des Zwergen anhören, der sein Wissen über jeden Schatz der Erde zum Besten gab, auch wenn ihm niemand richtig zuhörten.
So hatten sie eine weite Strecke hinter sich gebracht, als ihnen die Veränderung in der Luft zeigte, dass sie sich dem Ende des Tunnels, dem sie gerade folgten, näherten und Aragorn hielt an und lauschte in die Finsternis hinein.

Als er auch Minuten später kein Geräusch vernahm, bedeutete er seinen Begleitern, zu warten und entfernte sich, verschwand schließlich in der Finsternis, bis Tanhis selbst den Klang seiner Schritte nicht mehr vernehmen konnte. Es verstrich eine geraume Zeit, bis Aragorn schließlich zurück kehrte und sein Gesicht zeigte deutlich, dass er keine guten Nachrichten brachte.
"Ein kleines Stück weiter öffnet sich der Gang in ein Gewölbe und es gibt nur eine Möglichkeit, den Weg von dort aus fortzusetzen. Wir müssen eine Schlucht herunter, deren Grund ich nicht zu sehen vermag und ich bezweifel, dass unsere Seile lang genug sein werden. Wir müssen entweder den Abstieg ungesichert wagen, - oder umkehren..."
Tanhis hatte bei seinen Worten in die Dunkelheit geblickt, doch nun wandte sie abrupt den Kopf und blickte Aragorn verzweifelt an, der ihrem Blick ruhig begegnete und ihr dann stumm zunickte.
"Ich verstehe!", murmelte er und richtete sich dann an Gandalf, den er ein Stück von den Hobbits und Gimli fort zog.
"Für die Hobbits und Gimli wird der Abstieg ein nicht zu bewältigendes Hindernis sein, Gandalf! Selbst für Tanhis und mich wird es gefährlich sein, aber sie wird sich nicht davon abbringen lassen!"
"Was schlägst du also vor?" Gandalf sah ihn abwartend an.
"Es wird wohl das Beste sein, wenn ihr umkehrt. Einen anderen Weg zu finden halte ich für unmöglich, denn in diesem Gewirr der Gänge, würdet ihr euch nur verlaufen!"
Gandalf bedachte Aragorns Vorschlag und seufzte. Er wusste jetzt schon, wie Frodo, Sam und Gimli reagieren würden, aber er vertraute Aragorns Urteil und keinem von ihnen war damit gedient, wenn sie abstürzten, schon gar nicht Legolas.
"Gut! Es gibt wohl keine andere Möglichkeit, auch wenn wir uns jetzt auf einiges gefasst machen dürfen. Die Drei werden sicher nicht begeistert sein, dass sie zurück bleiben müssen!"

Ihre Befürchtungen diesbezüglich stellten sich als richtig heraus! Gimli tobte und hätte mit seinem Geschrei sicher alle Horden Orks auf sich gezogen, wenn Aragorn ihn nicht mit barschen Worten zum Schweigen gebracht hätte. Selbst danach fluchte er immer noch still vor sich hin und bedachte Aragorn und Gandalf immer wieder mit strafenden Blicken.
Frodo und Sam waren auch nicht angetan von der Tatsache, dass sie bei Legolas’ Rettung nicht helfen konnten, doch sie schätzten ihre Kräfte und Fähigkeiten richtig ein und wussten, dass sie Tanhis und Aragorn nur aufhalten würden und das würde sie vielleicht wichtige Zeit kosten.
So dauerte es nicht lange und Tanhis und Aragorn machten sich bereit, den Weg fortzusetzen, begleitet von den hoffnungsvollen Blicken der Freunde und Gimlis wütendem Blick!